Autor: Schuldnerfachberatungszentrum Universität Mainz
Unpfändbarkeit der Corona-Soforthilfen
Die Corona-Soforthilfen sind als zweckgebundene Leistungen nach § 851 ZPO unpfändbar. LG Köln, Beschluss vom 23.04.2020 – 39 T 57/20 Sachverhalt: Am 09.06.2017 wurde das P-Konto des Schuldners gepfändet. Am 27.03.2020 erhielt der Schuldner die Bewilligung einer einmaligen „Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Selbstständige“ in Höhe von 9.000 Euro. Diese wurde wenige Tage später dem Konto des Schuldners gutgeschrieben. Die Bank weigerte sich jedoch an den Schuldner auszahlte. Dieser erhob am 07.04.2020 einen Antrag auf Freigabe der Kontopfändung in Höhe der 9.000 Euro aus der Corona-Soforthilfe, mit der Begründung, dass er den Betrag zur Unterhaltszahlung (Familie, Miete etc.) brauche. Entscheidung: Die Corona-Soforthilfe sei als zweckgebundene Leistung von der Pfändung gem. § 851 I ZPO ausgenommen. Der Zweck der Leistung betreffe die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners und die Überbrückung von dessen aktuellen Liquiditätsengpässen. Zwar stelle diese keine in der ZPO geregelten unpfändbaren Betrag dar, wie etwa sonstige Einkünfte aus § […]
Voraussetzungen für die Erteilung der vorzeitigen Restschuldbefreiung
Der Antrag auf Erteilung vorzeitiger Restschuldbefreiung kann auch außerhalb der Dreijahresfrist gestellt werden. BGH, Beschluss vom 19.09.2019 – IX ZB 23/19 Sachverhalt: Auf Antrag der Schuldnerin wurde am 03.09.2015 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Im Prüfungstermin vom 30.11.2015 wurden Forderungen der Insolvenzgläubiger in Höhe von 17.469 € zur Insolvenztabelle festgestellt. Bis zum 03.09.2018 vereinnahmte die Insolvenzverwalterin zugunsten der Masse 15.182 €. Zu diesem Zeitpunkt betrugen die Gerichtskosten 879 € und die Vergütung der Insolvenzverwalterin 9.437 €. Mit Schreiben vom 03.09.2018 (bei Gericht am 04.09.2018 eingegangen) hat die Schuldnerin die Gewährung vorzeitiger Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt. Die Insolvenzverwalterin ist diesem Antrag mit der Begründung entgegengetreten, dass eine Befriedigung der Forderungen der Insolvenzgläubiger nicht in Höhe von min. 35 % möglich sei. Sie hat zum 03.09.2019 einen Fehlbetrag von 1.248 € errechnet. Am 28.09. und 04.10.2018 sind der Masse weitere Zahlungen in Höhe von 179 € und 1.180 € zugeflossen. Entscheidung: […]
Beweisanzeichen des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes
Auch bei erkannter Zahlungsunfähigkeit kann der Schuldner ohne Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handeln, wenn sich die Unterhaltszahlungen in einer Größenordnung bewegen, die es nahelegt, dass es sich wirtschaftlich um Zahlungen aus dem pfändungsgeschützten Teil des Einkommens handelt. BGH, Urteil vom 12.09.2019 – IX ZR 264/18 Sachverhalt: Der Schuldner schuldete seinen beiden Töchtern monatlichen Unterhalt in Höhe von 48 €. Da er dieser Verpflichtung nicht nachkam, erbrachte die Unterhaltsvorschusskasse die jeweiligen Unterhaltsleistungen. Im März 2007 erkannte der Schuldner seine Unterhaltspflicht gegenüber einer Tochter an und erbrachte entsprechende Ratenzahlungen auf die Unterhaltsvorschussschulden. In der Zeit von April 2007 bis Juli 2014 leistete er Raten von insgesamt 3.683 €. Auf Antrag des Schuldners wurde am 13.Novemver 2014 über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter hat die Zahlungen an die Unterhaltsvorschusskasse angefochten und deren Rückgewähr verlangt. Entscheidung: Durch die Zahlungen des Schuldners auf die Unterhaltsvorschussschulden sei eine Gläubigerbenachteiligung gem. § 129 I InsO eingetreten. Eine Gläubigerbenachteiligung […]
Kraftfahrzeugsteuer als Masserverbindlichkeit
Die Kraftfahrzeugsteuerverbindlichkeit ist nur dann als Masseverbindlichkeit zu werten, soweit das betreffende Fahrzeug physisch existiert. BFH, Urteil vom 21.03.2019 – III R 30/18 Sachverhalt: Die Schuldnerin war seit dem Jahr 1998 Halterin eines Omnibusses. Im September 2011 wurde das Fahrzeug durch einen Brand vollständig zerstört und ist seitdem physisch nicht mehr existent. Im Oktober 2012 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Im Mai 2016 meldete der Insolvenzverwalter das Fahrzeug bei der zuständigen Straßenverkehrszulassungsbehörde ab. Daraufhin erließ das Hauptzollamt im Juni 2016 einen Kraftfahrzeugsteuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter, für den Zeitraum ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Abmeldung des Fahrzeugs in Höhe von 1.900 €. Entscheidung: Die Kraftfahrzeugsteuerschuld ist keine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 InsO. Danach sind solche Forderungen Masseverbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens […]
Nachträgliche Anmeldung der Forderung als aus unerlaubter Handlung stammend
Die Rechtskraft des § 178 III InsO steht einer nachträglichen Anmeldung der Forderung als aus unerlaubter Handlung stammend nicht entgegen. OLG Köln, Urteil vom 07.02.2019 – 7 U 176/17 Sachverhalt: Eine Gläubigerin meldete im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin einen Betrag in Höhe von 61.000 Euro zur Insolvenztabelle an. Der Anspruch wurde in voller Höhe unter dem Forderungsgrund „Forderung aus Bürgschaft“ zur Insolvenztabelle festgestellt. Im Laufe des weiteren Verfahrens beantrage die Gläubigerin die Feststellung, dass ein Teilbetrag der Forderung in Höhe von 20.000 Euro aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stammt. Die Schuldnerin widersprach dieser Feststellung. Entscheidung: Die Forderung der Gläubigerin durfte als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung in der Insolvenztabelle festgestellt werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Forderung zuvor bereits mit dem Forderungsgrund „Forderung aus Bürgschaft“ zur Tabelle festgestellt wurde. Die Insolvenzgläubiger kann, wenn sie es zunächst versäumt hat, ihre Forderung als aus vorsätzlich begangener unerlaubter […]
Nachhaftung des Insolvenzschuldners für Steuerschulden als Masseverbindlichkeiten
Der Insolvenzschuldner haftet für die Einkommenssteuer, die erstmals nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens festgesetzt wurde. BFH, Urteil vom 02.04.2019 – IX R 21/17 Sachverhalt: Der Schuldner war Eigentümer einer Immobilie, die er vermietete. Im Dezember 2003 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Vermietung wurde durch die Insolvenzverwalterin zunächst fortgesetzt. Anschließend wurde die Immobilie zu Gunsten der Masse veräußert. Die Insolvenzverwalterin gab keine Steuererklärungen für den Schuldner als Vermieter ab und leistete auch keine Zahlungen auf die aus der Vermietung entstandene Einkommenssteuer. Im November 2010 wurde dem Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt und das Insolvenzverfahren im April 2011 aufgehoben. Im Jahr 2012 erließ das Finanzamt Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2006, in denen es u.a. die Einkünfte aus der Vermietung gegen den Schuldner ansetzte. Entscheidung: Der Schuldner hafte als Steuerpflichtiger für Steueransprüche nach Aufhebung des Insolvenzverfahren, bei denen es sich insolvenzrechtlich um vom Insolvenzverwalter nicht bezahlte Masseschulden handele, […]
Beginn der Verjährungsfrist des Anspruchs auf Entgeltzahlung für Energielieferungen
Die Fälligkeit des Anspruchs eines Energielieferanten gegenüber dem Verbraucher auf Entgeltzahlung richtet sich nach der Rechnungstellung durch den Lieferanten. BGH, Urteil vom 17.07.2019 – VIII ZR 224/18 Sachverhalt: Der Schuldner lebte im Zeitraum von November 2010 bis Oktober 2012 in einer Wohnung, in der er durch ein Energieunternehmen mit Strom beliefert wurde. Mit Jahresabrechnungen von April und Mai 2013 rechnete das Energieunternehmen den Zeitraum mit einem Betrag in Höhe von 1.313,09 € ab. Der Schuldner leistete hierauf keine Zahlung und berief sich auf die Einrede der Verjährung. Das Energieunternehmen hat über die Forderung einen Mahnbescheid erwirkt, der dem Schuldner im November 2016 zugestellt wurde. Entscheidung: Die Ansprüche des Energieunternehmens gegen den Schuldner auf Entgeltzahlung seien nicht verjährt. Die Verjährungsfrist sei durch die Zustellung des Mahnbescheids an den Schuldner im November 2016, gem. § 204 I Nr. 3 BGB gehemmt worden. Für Ansprüche des Energieunternehmens sei die regelmäßige Verjährungsfrist von drei […]
Abtretung künftiger Forderungen durch den Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Eine vor Insolvenzeröffnung vereinbarte Globalabtretung des Schuldners wird im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam. BGH, Urteil vom 06.06.2019 – IX ZR 272/17 Sachverhalt: Dem Schuldner standen aus freiberuflicher Tätigkeit als Zahnarzt Vergütungsansprüche gegen die kassenärztliche Vereinigung zu. Der Schuldner trat im Dezember 1992 die Vergütungsansprüche an seine Ehefrau ab. Am 12. September 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Am 22. September 2008 übertrug die Ehefrau ihre Ansprüche an den Vater des Schuldners. Mit Schreiben vom 01. Oktober 2008 gab der Insolvenzverwalter das Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners frei. Wegen rückständiger Forderungen der Gerichtskasse erwirkte das Land gegen den Schuldner einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, durch den Ansprüche des Schuldners gegen die kassenzahnärztliche Vereinigung gepfändet wurden. Der Vater des Schuldners (Zessionar) beantrage die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären, da er der Auffassung war, er habe die Forderungen durch die Abtretung wirksam erworben. Entscheidung: Der Vater […]
Veräußerung eines durch Pfändung und Überweisung gepfändeten Anteils eines Miterben
Der durch Pfändung und Überweisung gepfändete Anteil eines Miterben, darf nur mit gesondertem Beschluss des Vollstreckungsgerichts oder einer Bewilligung des Schuldners veräußert werden. BGH, Beschluss vom 07.02.2019 – V ZB 89/18 Sachverhalt: Der Schuldner ist mit zwei weiteren Personen im Grundbuch in Erbengemeinschaft als Eigentümer zu ½ Anteil eines Grundstücks eingetragen. Ein Gläubiger des Schuldners pfändete den Miterbenanteil des Schuldners und erwirkte die Überweisung des Anteils zur Einziehung. Im Nachgang verkaufte der Gläubiger das Grundstück und übertrug es an die Erwerberin. Unter Vorlage des Erbanteilskaufvertrags haben der Gläubiger und die Erwerberin die Berichtigung des Grundbuchs hinsichtlich des Erbanteils des Schuldners beantragt. Das Grundbuchamt hat die Eintragung von der Vorlage einer Anordnung des Vollstreckungsgerichts nach § 844, § 857 V ZPO oder der Genehmigung des Schuldners nach § 29 GBO abhängig gemacht. Entscheidung: Der BGH entschied, dass das vom Grundbuchamt vorgetragene Eintragungshindernis bestehe. Die Überweisung zur Einziehung nach § 857 I […]