Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung schlägt Fonds zur Vermeidung von Privatinsolvenzverfahren vor

Umdenken bei Privatinsolvenzen als win:win für Gläubiger, Staat und Schuldner

In Deutschland könnten mit mehr außergerichtlichen Einigungen viele Insolvenzverfahren vermieden werden. Dies würde einerseits die Justiz erheblich entlasten und andererseits psychische, physische und finanzielle Auswirkungen der Überschuldung abmildern. „Während aus wirtschaftlicher Sicht viele Gläubiger ohnehin zum größten Teil auf ihre Forderungen verzichten, können die Kosten des Verfahrens für die Justiz bestehen bleiben. Eine außergerichtliche Einigung kann hier helfen“, betonte die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB) zum Auftakt ihrer Jahrestagung in Freiburg. Die Tagung mit 520 Teilnehmenden ist die größte Veranstaltung, die es zur Sozialen Schuldnerberatung in Deutschland bisher gab.

Bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung entstehen hohe Kosten für das Bundesland – etwa 2.500 Euro pro Verfahren. Die BAG-SB plädierte nun für die Einrichtung eines Fonds, mit dem außergerichtliche Einigungen sowohl für die Gläubiger wie auch für den Staatshaushalt deutlich attraktiver werden.

Konkret schlägt der Verband vor,

AG Esslingen zur Ablehnung der Versagung der Restschuldbefreiung wegen Unverhältnismäßigkeit

Der infodienst-schuldnerberatung.de weist auf die Entscheidung Amtsgericht Esslingen, 13 IN xxx/20, Beschluss vom 28.10.2021 hin und hat diese online gestellt. Daraus (Listendarstellung von uns):

  • Die Erwerbsobliegenheit nach § 287b InsO verletzt der Schuldner, wenn er keine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt. Ist der Schuldner aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage Vollzeit zu arbeiten, darf ihm das nicht zum Nachteil gereichen, wobei er jedoch verpflichtet ist, wenn möglich, seine vollständige Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen. 
  • Durch die Verletzung der Erwerbsobliegenheit muss die Befriedigung der Gläubiger konkret beeinträchtigt werden. Eine Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung liegt auch dann vor, wenn die vom Schuldner nicht abgeführten Beträge lediglich zur (teilweisen) Deckung der Verfahrenskosten ausreichen.
  • Eine unwesentliche Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten führt nicht zu einer Versagung der Restschuldbefreiung (Verbot des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB). Ein Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn an geringfügige Fehler und Verstöße vergleichsweise weittragende Rechtsfolgen geknüpft werden. Die Möglichkeit der Berufung auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben erlaubt es, übermäßige Härten zu vermeiden. Eine Versagung der Restschuldbefreiung stünde in keinem angemessenen Verhältnis zum begangenen Verstoß, wenn dieser betragsmäßig nur ganz geringe Nachteile ausgelöst hat.

SCHUFA meldet: Restschuldbefreiung bei 250.000 Personen gelöscht

Aus einer PM der SCHUFA vom 26.4.2023: “Am 28. März 2023 hat die SCHUFA die Entscheidung getroffen, Informationen zu einer Restschuldbefreiung nur noch sechs Monate statt drei Jahre zu speichern und diese neue Speicherfrist bis Ende April umzusetzen. Wie angekündigt [Anmerkung: vgl. unsere Meldung hier] hat die SCHUFA die technischen Anpassungen innerhalb von vier Wochen vorgenommen. Bei rund 250.000 Personen wurden die Daten zur erteilten Restschuldbefreiung, wenn sie älter als sechs Monate waren, und alle mit der Restschuldbefreiung erlassenen Schulden, mittlerweile gelöscht. Verbraucherinnen und Verbraucher mussten hierzu nicht aktiv werden. Lediglich Neuschulden, die nicht durch die Restschuldbefreiung erlassen wurden, bleiben weiterhin bestehen. Zudem hat die SCHUFA den persönlichen SCHUFA-Basisscore auf Grundlage der aktuellen Datenlage neu berechnet.

Das neue Verfahren läuft ab sofort im Regelbetrieb: Informationen zu einer Restschuldbefreiung und die hiervon erfassten Schulden werden automatisch gelöscht, wenn die Speicherdauer von sechs Monaten erreicht wird. (…)

Warum hat die SCHUFA die Speicherdauer für die Restschuldbefreiung verkürzt? Die SCHUFA hat diese Entscheidung getroffen, um schneller Klarheit für Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen, denn mit der Frage, wie lange Informationen zur Restschuldbefreiung gespeichert werden dürfen, beschäftigen sich aktuell der Europäische Gerichtshof (EuGH) und der Bundesgerichtshof (BGH). Der BGH möchte eine Klärung durch den EuGH abwarten.

Heute und morgen: Aktionskongress #ArmutAbschaffen 2023

Heute und morgen findet ein Aktionskongress des Paritätischen statt #ArmutAbschaffen. Dazu gibt es Live-Streams.

PM des Paritätischen: Sich vernetzen, einander Mut und gemeinsam politisch Druck machen – darum geht es beim Aktionskongress “Armut? Abschaffen!”, zu dem der Paritätische Gesamtverband am 4. und 5. Mai 2023 einlädt.

Der Verband verschafft Armutsbetroffenen Gehör, sensibilisiert für das Thema und  will ein Zeichen im Kampf gegen Armut setzen. Auf dem Programm stehen Beiträge von vielen Aktivist*innen und Expert*innen. Von #IchBinArmutsbetroffen-Initatorin Anni W. bis Familienministerin Lisa Paus wird eine große Bandbreite auf dem Kongress vertreten sein, die aus Theorie und Praxis berichtet.

“Unser Kongress setzt ein starkes Zeichen im Kampf gegen Armut”, ist Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, sicher. “Hunderte Anmeldungen zeigen das große Interesse am Thema und seine Relevanz.” Laut aktuellen Zahlen des Paritätischen Armutsberichts leben über 14 Millionen Menschen in Deutschland in Armut. Ulrich Schneider: “Denen müssen wir als Paritätischer Gehör verschaffen und ihnen Mut machen. Wir dürfen nicht locker lassen und müssen weiter Druck aufbauen.”

BGH: Naturalunterhalt ist dem Barunterhalt bei § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO gleichwertig

Hier der Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 15.3.2023 zum VII ZB 68/21. Die Leitsätze:

1. Der Schuldner, der einem dem pfändenden Gläubiger gleichstehenden minderjährigen Kind keinen Barunterhalt, sondern Naturalunterhalt leistet, kann wie ein Barunterhalt leistender Schuldner die Heraufsetzung des ihm pfandfrei zu belassenden Betrags nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO verlangen.

2. Das den notwendigen Unterhalt des Schuldners übersteigende Einkommen ist zum Zwecke der Bestimmung des pfandfreien Betrags gemäß § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO im Verhältnis der Höhe der gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Unterhaltsberechtigten in der gleichen Rangstufe zueinander zu quoteln.

Vgl. auch die Darstellung unter beck.de

“Über den Gartenzaun”: Handreichung und Orientierungshilfe zur Schuldnerberatung für benachbarte Dienste und Einrichtungen

Hier der Hinweis auf die Broschüre “Über den Gartenzaun” des Paritätischen Nordrhein-Westfalen e. V.

Aus deren Einleitung: “Mit der vorliegenden Handreichung werden zu einigen ausgewählten Stichworten grundlegende Informationen vermittelt sowie Orientierungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Die Broschüre ist weder als Gebrauchsanweisung zur Selbstentschuldung noch als Crashkurs für Berufseinsteiger*innen in das Arbeitsfeld Schuldnerberatung gedacht oder geeignet. Sie soll anderen Beratungsstellen und Unterstützungseinrichtungen das Verständnis schuldnerberaterischer Tätigkeit ermöglichen, um hier gegebenenfalls schon erste vorbereitende und zielgerichtete Informationen und Hilfestellungen geben zu können.”

Die Stichworte gehen von A wie Abtretung bis Z wie Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher.

BAG-SB zur Reform der EU-Verbraucherkreditrichtlinie (CCD)

Schon seit einiger Zeit ist die Reform der Verbraucherkreditrichtlinie in der Mache (vgl. grundlegend COM(2021)0347). Lesenswert ist der Bericht über den Vorschlag mit diversen Änderungsvorschlägen (A9-0212/2022). Weitere Dokumente unter 2021/0171(COD).

Die BAG-SB hat sich zu dem Vorhaben positioniert:

Kommen das Recht auf Schuldenberatung und
ein Verbot unzulässiger Praktiken bei der Einziehung von Forderungen?

AG Düsseldorf zur Pfändbarkeit eines Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrages

Das AG Düsseldorf, 03.02.2023 – 37 C 159/22 hat entschieden:

Ein Anspruch auf Auszahlung aus einem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag ist analog § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO, im Insolvenzverfahren in Verbindung mit § 36 Abs. 1 S.1 InsO, bedingt pfändbar.

Die nach § 850b Abs. 2 ZPO vorzunehmende Güterabwägung fällt in der Regel zugunsten des Schuldners aus, wenn nach dessen Lebensalter und wirtschaftlicher Gesamtsituation ein erneutes Ansparen der Bestattungskosten nicht mehr zumutbar erscheint.

Musterfeststellungsklage gegen EOS: OLG Hamburg hält die Inkassokosten (wohl) für unberechtigt

Heute hat das OLG Hamburg die Musterfeststellungsklage des vzbv gegen die EOS Investment GmbH verhandelt. Aus dem Terminsbericht des vzbv:

“Das Unternehmen [EOS Investment GmbH] lässt eigene Forderungen an Verbraucher:innen durch den EOS Deutscher Inkasso-Dienst GmbH (DID) eintreiben und verlangt von Betroffenen die Erstattung von Inkassokosten. Der vzbv wirft dem Unternehmen vor, Inkassokosten so künstlich in die Höhe zu treiben. Im heutigen Termin hat das Gericht die Auffassung des vzbv bestätigt.

In der heutigen mündlichen Verhandlung hat das Gericht deutlich gemacht, dass es nach der bisherigen Beratung die Klage des vzbv für begründet hält. Das Geschäftsmodell von EOS konstruiere eine “rein fiktive Schadensposition”. Inkassokosten könne das Unternehmen von den Verbraucher:innen damit nicht erstattet verlangen.

EOS und der vzbv können nun noch einmal Stellung nehmen. Seine endgültige Entscheidung verkündet das Gericht am 15. Juni 2023.”