Bürgergeld so lange, bis vorrangige Leistungen tatsächlich bewilligt sind

Helge Hildebrandt weist auf der lesenswerten Seite https://sozialberatung-kiel.de auf Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 12.12.2022, S 41 AS 92/22 – rechtskräftig hin. Aus der Entscheidung:

§ 12a Satz 1 SGB II ermächtigt den Grundsicherungs- bzw. Entscheidungsträger nicht dazu, Leistungen nach dem SGB II unter Verweis auf eine zu beantragende vorrangigen Sozialleistung abzulehnen (vgl. S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 12 a Rz. 1 und 9; Striebinger in Gagel, SGB II und SGB III, § 12 a Rz. 4, Stand 55. EL 2014; Geiger in LPK-SGB II, 5. Auflage 2013, § 12 a Rz. 1; LSG Nordrhein-Westfalen 11. 4. 2012 – L 19 AS 544/12 B ER Rz. 16).

Bis zum Zufluss der vorrangigen Sozialleistungen muss der Grundsicherungsträger bzw. Wahrnehmungszuständige bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen in Vorleistung treten und Leistungen nach dem SGB II – unter Anmeldung eines Erstattungsanspruchs gem. §§ 102 ff. SGB X gewähren.

Siehe auch im aktuellen Thomé-Newsletter unter 1. (Ablehnung mit Verweis auf vorrangige Leistungen am Beispiel des Landkreises Kassel):

Das BSG sagt dazu: „Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist nur eine tatsächlich zugeflossene Einnahme als “bereites Mittel” geeignet, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken“ (BSG 12.11.2012 – B 14 AS 161/11 R). Die BA sagt in Ihrer Weisung zu § 67: „Sofern ein vorrangiger Anspruch auf KiZ festgestellt wird, ist im Sinne einer zeitnahen Sicherstellung des Lebensunterhalts aber regelmäßig in Vorleistung zu gehen, d. h. die Leistungen nach dem SGB II sind zu bewilligen und es ist ein Erstattungsanspruch anzumelden. Dies gilt auch im Hinblick auf andere vorrangige Leistungen“, (Weisung zu § 67, Stand: 24.06.2022, S. 37).
Zusammengefasst: wegen fehlendem Zufluss der anderen Sozialleistung dürfen keine SGB II-Leistungen versagt werden. Das bedeutet, das Kasseler Verwaltungshandeln ist alleine deswegen gravierend rechtswidrig.

vzbv zu Gaspreisbremsen:  Abschläge über 1.000 Euro

Am1. März traten die Preisbremsen für Strom, Erdgas und Wärme in Kraft, mit denen die Bundesregierung Verbraucher:innen entlasten möchte. Gleichzeitig gibt es erste Hinweise auf völlig überhöhte März-Abschläge aus den Verbraucherzentralen. In Einzelfällen berichten Verbraucher:innen von Abschlägen von 1.000 Euro und mehr. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) empfiehlt, sowohl die Informationsschreiben als auch die neuen Abschläge genau zu prüfen und ruft Verbraucher:innen dazu auf, Probleme unter www.verbraucherzentrale.de zu melden.

„Die Energiepreisbremsen sollen die Bürger:innen entlasten. Umso ärgerlicher, dass mancher Anbieter offensichtlich versucht, abzukassieren und völlig überhöhte Abschläge durchzudrücken. Der vzbv wird das prüfen und gegen Abzocke und etwaige rechtswidrige Praktiken vorgehen. Verbraucher:innen sollten wachsam sein und ihre Probleme über unseren Verbraucheraufruf online melden oder direkt Rat in den Verbraucherzentralen einholen“, sagt vzbv-Vorständin Ramona Pop.

Die Preisbremsen gelten rückwirkend auch für Januar und Februar. Der vzbv fordert die Versorger deshalb auf, die Entlastungen fristgerecht bis Ende März an ihre Kund:innen zurückzuerstatten. „Die Verbraucher:innen haben lange auf diese Entlastungen gewartet. Jetzt brauchen sie Transparenz und fristgerechte Erstattungen. Hier sind die Unternehmen in der Pflicht“, so Pop.

GATE Schuldnerberatung sucht  Schuldner- und Insolvenzberater (m/ w/ d) in Neustadt i. Holstein

“Sie haben vor Jahren einmal eine Ausbildung mit kaufmännischem Hintergrund abgeschlossen, weil z.B. Zahlen und die Arbeit im Büro zu ihren Interessen zählten und Sie sich das für ihren beruflichen Weg gut vorstellen konnten. Mittlerweile haben Sie (etwas oder viel) Berufserfahrung gesammelt und merken, dass zwar der kaufmännische Bereich Spaß macht, es in ihrem jetzigen Unternehmen aber immer mehr um Gewinnmaximierung geht. Die Prozesse werden immer bürokratischer und Kreativität und Eigeninitiative werden im Keim erstickt. Nicht jedoch bei uns, denn bei uns steht der Mensch mit all seinen Facetten noch immer an erster Stelle. Nehmen Sie also ihr Schicksal in die Hand und bewerben Sie sich bei uns als  Schuldner- und Insolvenzberater (m/ w/ d) in Neustadt i. H. in Teil- oder Vollzeit.”

Zur ganzen Stellenausschreibung: www.gate-schuldnerberatung.de/jobs/

AG Köln: Inflationsausgleichsprämie wie Arbeitseinkommen pfändbar

Das AG Köln hat sich mit Beschluss vom 04.01.2023, 70k IK 226/20 mit der Inflationsausgleichsprämie befasst.

Aus der Entscheidung: “Im Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz vom 19.10.2022 (BGBl. 2022 I 1743) hat der Gesetzgeber eine abgabenrechtlich privilegierte Inflationsausgleichsprämie (lAP) ermöglicht. Vom Arbeitgeber in der Zeit zwischen 26.10.2022 und 31.12.2024 zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise sind danach bis zu einem Betrag von 3.000 EUR weder steuer- und sozialversicherungspflichtig, § 3 Nr. 11 b) EStG, noch werden sie bei einkommensabhängigen Sozialleistungen angerechnet, § 1 I Nr. 7 Alg ll-V.

Ob diese Prämien pfändbar sind und dem Insolvenzbeschlag unterliegen, beantwortet das Gesetz nicht.

Vorliegend kommt nach Auffassung des Gerichts aber ein Pfändungsschutz nach § 850 c ZPO in Betracht. Dieser betrifft zwar grundsätzlich nur das wiederkehrende, also laufend gezahlte Arbeitseinkommen. Bei der lAP handelt es sich eine Zahlung die einmalig aber auch mehrmalige oder im Geltungszeitraum regelmäßig gezahlt werden kann.

“Finanzwende – Warum wir ein faires Finanzsystem brauchen“

Der nächste Termin in der Online-Vortragsreihe „Finanzkompetenz zum Frühstück“ des Präventionsnetzwerks Finanzkompetenz e.V. (PNFK) findet am Dienstag, 21. März 2023, 9-10 Uhr zum Thema „Finanzwende – Warum wir ein faires Finanzsystem brauchen“ statt.

Als Gesprächspartnerin steht die Wirtschaftsjournalistin Britta Langenberg von der Bürgerbewegung Finanzwende e.V. zur Verfügung. Im Anschluss an den ca. 20-25minütigen Impulsvortrag wird es wie immer Gelegenheit zur Diskussion und zum Austausch geben.

Der Onlinevortrag soll auch ein Beitrag zur Global Money Week (GMW) sein, die vom 20. – 26. März 2023 auf die Bedeutung von finanzieller Bildung für junge Menschen aufmerksam macht. Das diesjährige Motto der GMW lautet “Plan your money, plant your future”.

Mehr und Anmeldemöglichkeit: pnfk.de/finanzfruehstueck/

LSG Sachsen zum SGB II – Anspruch von Unionsbürger*innen

Der Paritätische weist auf das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen vom 6.12.2022 unter dem Aktenzeichen L 4 AS 939/20 hin.

Eine EU-Bürger*in hat mit einem geduldeten tunesischen Staatsbürger ein gemeinsames Kind, die Eltern sind nicht miteinander verheiratet, die Mutter ist während der Schwangerschaft „betriebsbedingt“ gekündigt worden. Das LSG Sachsen hat darin zum einen festgestellt, dass in diesem Fall der fortwirkende Arbeitnehmer*innenstatus nicht nach sechs Monaten endet, sondern sich um die Zeit des Mutterschutzes verlängert. Zum anderen führt der Schutz der Familie dazu, dass auch danach ein Anspruch auf SGB-II-Leistungen besteht, weil für die EU-Bürger*in ein fiktiver Anspruch auf ein humanitäres oder familiäres Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG besteht.

Ausführlich unter www.der-paritaetische.de

BAG-SB-Tagung 2023: Wir bringen Licht ins Dunkel

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (BAG-SB) lädt zur hybriden Tagung (Freiburg und online) vom 3.-5. Mai 2023 unter dem Motto “Wir bringen Licht ins Dunkel” ein.

Zum Tagungsprogramm, weiteren aktuellen Infos und zur Anmeldung: www.bag-sb.de/tagung2023.

Dank der Förderung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sind die Teilnahmebeiträge besonders günstig: alle Mitglieder der BAG-SB und alle Nachwuchskräfte in der Schuldnerberatung erhalten kostenfreien Eintritt! Für Nicht-Mitglieder beträgt die Pauschale (online/präsenz) 100,00 Euro.

Wie üblich lobt auch dieses Jahr die BAG-SB einen Innovationspreis aus, dessen Gewinner_in bei der Tagung bekannt gegeben wird: Aufruf zur Einreichung von Projekten.

Neuregelung der „Leistungsminderungen“ durch das Bürgergeld-Gesetz: kommentierte Darstellung der Weisungen von B. Eckhardt

B. Eckhardt: “In der vorliegenden Februar-Ausgabe von SOZIALRECHT-JUSTAMENT stellte ich in einem ersten Teil, die Änderungen bei den Tatbeständen dar, die eine Pflichtverletzung bedeuten [§§ 31, 31a, 31b, 32 SGB II]. Es geht um Änderungen, die sich aus der Ablösung der »Eingliederungsvereinbarung« durch den »Kooperationsplan« ab Juli 2023 ergeben werden. Hierbei wird auch auf die Übergangsregelung (§ 65 SGB II) zur »Eingliederungsvereinbarung« eingegangen.

Nach Vorstellung der schon ab Januar 2023 eingeführten gestuften Leistungsminderungen und Probleme der Umsetzung gehe ich ausführlich auf die Möglichkeit ein, sich nachträglich dazu bereit zu erklären, zukünftig den Pflichten nachzukommen. Das Ganze ist komplizierter, als es zunächst zu sein scheint. Die neuen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu den »Leistungsminderungen« sind teilweise sehr diffus und nur beschränkt hilfreich.”

Neuregelung der „Leistungsminderungen“ durch das Bürgergeld-Gesetz: kommentierte Darstellung der Weisungen von B. Eckhardt

B. Eckhardt: “In der vorliegenden Februar-Ausgabe von SOZIALRECHT-JUSTAMENT stellte ich in einem ersten Teil, die Änderungen bei den Tatbeständen dar, die eine Pflichtverletzung bedeuten [§§ 31, 31a, 31b, 32 SGB II]. Es geht um Änderungen, die sich aus der Ablösung der »Eingliederungsvereinbarung« durch den »Kooperationsplan« ab Juli 2023 ergeben werden. Hierbei wird auch auf die Übergangsregelung (§ 65 SGB II) zur »Eingliederungsvereinbarung« eingegangen.

Nach Vorstellung der schon ab Januar 2023 eingeführten gestuften Leistungsminderungen und Probleme der Umsetzung gehe ich ausführlich auf die Möglichkeit ein, sich nachträglich dazu bereit zu erklären, zukünftig den Pflichten nachzukommen. Das Ganze ist komplizierter, als es zunächst zu sein scheint. Die neuen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu den »Leistungsminderungen« sind teilweise sehr diffus und nur beschränkt hilfreich.”

Bürgergeld: Karenzzeit auch für Bestandsfälle

Aus dem aktuellen Newsletter von Harald-Thomé: Das SGB II und auch das SGB XII bestimmen, dass für Neuantragstellende in Bezug auf die Unterkunftskosten, aber nicht Heizkosten, eine einjährige Karenzzeit besteht (§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II / § 35 Abs. 1 S. 2 SGB XII). In der Praxis bedeutet dies, das Jobcenter/Sozialamt darf über ein Jahr bei Neuantragstellenden keine Aufforderung zur Kostensenkung vornehmen.  

Liegt eine Unterkunft mit unangemessenen Unterkunftskosten vor, darf erst nach Ablauf der Karenzzeit eine Kostensenkungsaufforderung mit einer Frist von sechs Monaten ergehen, um die „unangemessenen“ Kosten herabzusetzen (§ 22 Abs. 1 S. 7 SGB II, § 35 Abs. 3 SGB XII),  diese Frist ist nicht auf die Karenzzeit anzurechnen, § 22 Abs. 1 S. 8 SGB II.

Diese Karenzzeit von einem Jahr gilt aber auch für Bestandsfälle, also Menschen und Familien, die sich im laufenden Leistungsbezug befinden (§ 65 Abs. 3 SGB II/§ 140 Abs. 1 SGB XII). Auch in diesen Fällen darf ab 1. Januar 2023 kein Kostensenkungsverfahren bis Ende Dez. 2023 ergehen.

Diese Karenzzeit für Bestandsfälle gilt nicht für Personen und Haushalte,