LAG Schuldnerberatung Hamburg fordert umgehende Erhöhung der Einkommensgrenzen für die kostenfreie Schuldnerberatung

Hier unsere heutige Pressemitteilung: „In der letzten Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft am 18.09.2024 wurde über die Schuldnerberatung debattiert. Dabei ging es auch um die Kosten der Schuldner- und Insolvenzberatung. Diese werden von der Hansestadt Hamburg für Ratsuchende, die über kein ausreichendes Einkommen verfügen, übernommen. Keinen Anspruch auf Kostenübernahme hat, wer mit seinem Netto-Haushaltseinkommen über festgelegten Einkommensgrenzen liegt, so dass dann die Beratungskosten vollständig selbst zu bezahlen sind.

Die Einkommensgrenzen wurden von der Sozialbehörde zuletzt vor fast zwei Jahren zum 01.11.2022 angepasst. Vor dem Hintergrund der durch die erhebliche Inflation seitdem gestiegenen Preise und Einkommen fordert die LAG Schuldnerberatung Hamburg (LAG) eine umgehende Erhöhung dieser Grenzen. Aktuell ist es so, dass viele Personen mit niedrigem Einkommen nicht in die kostenfreie Schuldnerberatung aufgenommen werden können. Dies trifft etwa auch zahlreiche Wohngeldbezieher:innen.

Die Hamburger Regierungskoalition hat zwar eine Erhöhung der Einkommensgrenzen angekündigt und auch beschlossen, allerdings soll diese erst „bei der geplanten Neuausschreibung“ erfolgen. Zum 1. August 2025 werden die Leistungen der Schuldner- und Insolvenzberatung im Rahmen einer Neuausschreibung neu vergeben. „Warum die Erhöhung der Einkommensgrenzen an die Neuausschreibung gekoppelt wird, ist nicht nachvollziehbar. Der Beratungsbedarf besteht jetzt und viele Ratsuchende fallen schon heute in ein Beratungsloch.“, bedauert Henrik Schmidt vom Vorstand der LAG.

Ein Antrag der Fraktion der LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft auf umgehende Erhöhung der Einkommensgrenzen sowie auf Einbeziehung von Wohngeld-Bezieher:innen in die kostenfreie Beratung wurde in der Bürgerschaft in der Debatte am 18.09.2024 abgelehnt. Die Fachsprecherin für Soziales der SPD, MdHB Annkathrin Behr, begründete dies damit, dass „ein Gespräch mit den beteiligten Akteuren noch nicht abgeschlossen“ sei. „Wir wissen nicht, wen Frau Behr mit den ‚beteiligten Akteuren‘ meint“, fragt sich Schmidt. „Sollte sie damit die Schuldnerberatung im Sinne gehabt haben, wäre dies aber sehr erstaunlich. Denn aus Sicht der LAG Schuldnerberatung Hamburg ist völlig klar, dass die Einkommensgrenzen umgehend erhöht werden müssen. Hinsichtlich dieser Forderung gibt es insoweit weder Gesprächs- noch Abstimmungsbedarf.“, stellt Schmidt weiter klar. Eine Erhöhung der Einkommensgrenzen kann sofort in die aktuell bestehende Struktur der Kostenübernahme übernommen werden, so dass ein Abwarten weder erforderlich noch sinnvoll ist.

FBSB: Schwerer Schlag für die Schuldnerberatung in NRW

Hier der Hinweis auf den Beitrag der Fachberatung Schuldnerberatung NRW unter www.fbsb-nrw.de/2024/09/schwerer-schlag-fuer-die-schuldnerberatung-in-nrw/.

Daraus: „Die Landesregierung in NRW will laut Haushaltsentwurf für das Jahr 2025 die Förderung der Fachberatung Schuldnerberatung beenden. Das ist unserer Meinung nach katastrophal für die Beratungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege, für die kommunalen Stellen, für die Einrichtungen der Verbraucherzentrale wie für einige weitere, seien sie in Trägerschaft von Unternehmen oder Behörden. Fatal ist dies auch für die zahlreichen integrierten Angebote von Schuldnerberatung, u.a. in sozialen Diensten der Familienhilfen, Jugendsozialarbeit, Sucht- und Straffälligenhilfe, Erwerbslosenberatung, Wohnungs(notfall)hilfen, Schwangerenberatung und gesetzlichen Betreuungen.“

BAG-SB zum Gesetzentwurf „Digitalisierung der Zwangsvollstreckung“: Zweierlei Maß für überschuldete Personen und Gläubiger

Der Rechtsausschuss des Bundestages befasst sich heute mit dem Thema „Digitalisierung der Zwangsvollstreckung“ (vgl. RegE – Drucksache 20/11310 sowie www.bundestag.de/(…)/kw20-de-digitalisierung-zwangsvollstreckung-1002708 mit Stellungnahmen).

Die BAG-SB dazu in einer aktuellen PM: „Der derzeit auf bundespolitischer Ebene diskutierte Gesetzesentwurf zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckung verdeutlicht erneut, dass im Schuldrecht mit zweierlei Maß gemessen wird. Bisher wurden Schriftstücke im Zwangsvollstreckungsverfahren sowohl postalisch – insbesondere bei Originaldokumenten wie Vollstreckungstiteln und Kostenvorschüssen – als auch elektronisch übermittelt. Dies führte zu einer hybriden Aktenführung, bei der sowohl eine elektronische als auch eine Papierakte erforderlich war. Der neue Gesetzentwurf sieht vor, diese hybride Übermittlung zu reduzieren und in den meisten Fällen eine rein digitale Weitergabe von Schriftstücken zu ermöglichen.

Die Reduzierung von Papierdokumenten im Rahmen der Digitalisierung ist grundsätzlich ein positiver und längst überfälliger Schritt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V. (BAG-SB) unterstützt eine solche Vereinheitlichung der Verfahren, warnt jedoch eindringlich davor, dass dies nicht zulasten der überschuldeten Haushalte geschehen darf.

Insgesamt wirke der Gesetzesentwurf weniger auf den Schutz der Schuldnerinnen und Schuldner als auf eine Reduzierung des Verwaltungsaufwands ausgerichtet, moniert die BAG-SB. “Der Gesetzentwurf geht leider nicht auf alte und neue Probleme des Schuldnerschutzes ein und lässt vor allem Konsequenzen bei Fehlverhalten von Gläubigern vermissen.”, betont die Geschäftsstelle des Vereins in Berlin. Ein besonders deutliches Beispiel ist die Ungleichbehandlung bei abzugebenden Versicherungen: Während Schuldnerinnen und Schuldner die Richtigkeit ihrer Angaben an Eides statt versichern und schwere rechtliche Konsequenzen bei Falschangaben riskieren müssen, dürfen Gläubiger ihre Angaben oft ohne jegliche Haftungspflicht durch standardisierte Textbausteine abgeben. Diese Ungleichbehandlung schafft Raum für Unrecht und birgt Missbrauchspotential – ein Problem, das im aktuellen Gesetzesentwurf unzureichend berücksichtigt wird.

ergänzender Antrag der LINKE-Hamburg: Kostenlose Beratung von Schuldner*innen sicherstellen – Einkommensgrenzen umgehend anpassen

Morgen steht der Antrag „Soziale Schuldner*innenberatung in Hamburg weiter stärken“ auf der Tagesordnung der Hamburgischen Bürgerschaft – siehe unsere Meldung vom 12.09.2024.

Nun ist es so, dass der Antrag offenbar auch zur Debatte angemeldet wurde und zwar von der Grünen Fraktion. Deshalb lohnt sich morgen ein Blick in der Livestream der Bürgerschaft.

Dies umso mehr, weil die LINKE einen ergänzenden Antrag gestellt hat: „Kostenlose Beratung von Schuldner*innen sicherstellen – Einkommensgrenzen umgehend anpassen“ (Drucksache 22/16257). Daraus:

„(…) Der Senat wird aufgefordert,

  1. die Einkommensgrenzen für die kostenlose Schuldnerberatung umgehend zu erhöhen,
  2. die Kostenfreiheit der Schuldnerberatung auch für Bezieher*innen von Wohngeld durch die Änderung entsprechender Fachanweisungen sicherzustellen (…)“

Bürgerschaft – Antrag der Regierungsparteien: Soziale Schuldner*innenberatung in Hamburg weiter stärken

Nächsten Mittwoch (18.09.2024) kommt wieder die Hamburgische Bürgerschaft zusammen. Unter Top 42 steht dort der nachstehende Antrag auf der Tagesordnung; Drucksache 22/16164.

„Antrag der Abgeordneten Mareike Engels, … (GRÜNE) und Fraktion
und der Abgeordneten Annkathrin Behr, … (SPD) und Fraktion

Betr.: Soziale Schuldner*innenberatung in Hamburg weiter stärken

(…) Zum 1. August 2025 werden die Leistungen der Schuldner*innenberatung im Rahmen einer Neuausschreibung neu vergeben. In dieser Neuausschreibung wollen wir die Erfahrungen der letzten Vergabeperiode nutzen und weiterentwickelte Zielsetzungen berücksichtigen. Durch das geänderte Vergaberecht ist Tariftreue bereits ein Kriterium für die Neuausschreibung.

Die Bürgerschaft möge beschließen: Der Senat wird ersucht,

1. bei der geplanten Neuausschreibung

a) die Einkommensgrenzen zu erhöhen und zu prüfen, ob aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung zukünftig auf den Eigenanteil verzichtet werden kann;

b) der Förderung der Präventionsarbeit zukünftig einen noch höheren Stellenwert beizumessen und die Pauschale entsprechend zu erhöhen;

c) ebenso die Arbeit der Beratungsstellen in der offenen Kurz- und Notfallberatung weiter zu stärken;

d) den Umfang der Vergabe zu erhöhen, um die gestiegenen Bedarfe der Zielgruppe und die allgemeine Steigerung der Kosten seit 2018 zu berücksichtigen;

e) zu prüfen, ob für die Vergabe der Beratungsleistungen trägerübergreifend einheitliche Fallpauschalen festgelegt werden können, auf die sich die Träger mit qualifizierten Konzepten bewerben können;

Bundesverfassunsgericht zu Inkassokosten bei bestrittener Forderung

Frank Lackmann [der am 6.11.2024 ein Online-Seminar zur aktuellen Rechtsprechung hält] und Hans-Peter Ehlen haben eine beachtenswerte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erstritten, 18.7.2024, 1 BvR 1314/23. Die Leitsätze (von Matthias Butenob zusammengestellt) lauten:

  1. Dass grundsätzlich eine Schadensminderungspflicht besteht, aufgrund derer Inkassokosten im Fall eines erkennbar zahlungsunwilligen Schuldners nicht als Schadensersatz erstattungsfähig sind, ist anerkannt (Rz. 22).
  2. Wenn ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern des Parteivorbringens darstellt und für den Prozessausgang eindeutig von entscheidender Bedeutung ist, ist das Gericht verpflichtet, die vorgebrachten Argumente zu erwägen. Ein Schweigen lässt hier den Schluss zu, dass der Vortrag der Prozesspartei nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde (Rz. 21).

Was war geschehen?

Die Beklage (= angebliche Schuldnerin) sagte einen in einer Fußpflegepraxis vereinbarten Behandlungstermin am gleichen Morgen wegen gefährlichen Unwetters telefonisch ab. Die Praxis war damit nicht einverstanden und berief sich auf ihre AGBs („Kurzfristig abgesagte Termine werden wir, egal warum der Termin abgesagt wurde, wie z.B. Krank, Arzttermin, Streik der öffentlichen Verkehrsmittel oder Auto sprang nicht an, mit einer Gebühr von 50% der eingeplanten Zeit zum Satz eine Minute/ ein Euro berechnen.“)

Die Beklagte bestritt trotzdem weiterhin die Forderung mit Verweis auf höhere Gewalt (Unwetter!). So verklagte die Praxis die Schuldnerin zur Zahlung des Honorars sowie – und hierum geht es beim Beschluss des BVerfGs – von Inkassokosten. Auch vor Gericht bestritt die Beklagte die Forderung und machte zu den Inkassokosten darüber hinaus geltend, dass die Praxis gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen habe, in dem sie ein Inkasso eingeschaltet habe, obwohl die Forderung bestritten sei. Das Amtsgericht verurteilte die Beklagte ohne auf diese Argumente einzugehen.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts:

Unzulässige Richtervorlage zu den Pfändungsfreigrenzen

Hier der Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2024, 1 BvL 4/24. Daraus:

„In dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung, ob die Regelung von Pfändungsfreigrenzen nach den §§ 850c und f der Zivilprozessordnung (ZPO) im Hinblick auf Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsgemäß ist – Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Aue-Bad Schlema vom 28. März 2024 – 2 M 2596/20 – hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (…) am 20. Juni 2024 einstimmig beschlossen: Die Vorlage ist unzulässig.  (…)

Im Ausgangsverfahren geht es um die denkbare Erhöhung des unpfändbaren Betrags des Arbeitseinkommens wegen im Haushalt lebender Kinder, für die keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht. Im Haushalt des Schuldners leben, neben eigenen Kindern des Schuldners und dessen Ehefrau, deren drei Kinder, für die er nicht unterhaltspflichtig ist. (…)

Es ist insbesondere unklar, warum das Amtsgericht der Meinung ist, im Haushalt lebende Stiefkinder müssten für den Pfändungsfreibetrag wie eigene Kinder berücksichtigt werden, obwohl für sie gerade keine gesetzliche Unterhaltspflicht des Schuldners besteht, dafür aber in aller Regel eine Unterhaltspflicht Dritter, nämlich der (leiblichen) Eltern, gegeben ist.“

Zur Verfassungsmäßigkeit des BAföG-Bedarfssatzes für Studierende

Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Vereinbarkeit des BAföG-Bedarfssatzes mit dem Grundgesetz vorgelegt, BVerwG 5 C 11.18 – Beschluss vom 20. Mai 2021, siehe Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Verfassungsmäßigkeit des BAföG-Bedarfssatzes für Studierende.

Joachim Schaller, der die Vorlage erstritten hat, hat nun seine Webseite zu diesem Verfahren aktualisiert. Siehe www.recht-auf-studienplatz.de/bverwg-5-C-11-18.html#update21082024.

Das Update und die dort genannten Links sind sehr lesenswert!

Kirstin Wulf: „ADHS und Finanzen – Die unsichtbaren Barrieren im Blick“

Seit dem Jahr 2023 gibt es das Berliner Projekt „Papierkram“, um Menschen mit ADHS besser bei finanziellen Schwierigkeiten unterstützen zu können. Wegen ihrer speziellen kognitiven Herausforderungen haben Betroffene von ADHS ein dreimal höheres Risiko für finanzielle Probleme und Überschuldung im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung.

Über ein Jahr hinweg wurde mit „Papierkram“ ein digitaler Arbeitsraum eingerichtet, der darauf ausgelegt ist, finanzielle Aufgaben effektiv zu bewältigen, Überforderungen zu mindern und die unsichtbaren Hürden im Alltag zu verringern.

Im Rahmen des neuen iff-Überschuldungsradars „ADHS und Finanzen – Die unsichtbaren Barrieren im Blick“ von Kirstin Wulf werden ausgewählte kognitive Hindernisse, die bei ADHS von großer Tragweite sind, erläutert, damit die Bedarfe dieser bisher weitestgehend unerkannten Gruppe künftig besser in der Beratungspraxis berücksichtigt werden kann. – Quelle: iff-Webseite

Siehe auch https://www.bricklebrit.net/geld-und-adhs/

Zu den Anforderungen der Anmeldung einer Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung

Hier der Hinweis auf zwei Entscheidungen zur Anmeldung einer sog. Deliktsforderung im Insolvenzverfahren.

1) AG Ludwigshafen, 12.12.2023 – 3 e IN 361/22 Lu – Leitsätze:

1. Die Anmeldung einer Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung setzt nicht voraus, dass der Schuldner einen zulässigen Restschuldbefreiungsantrag gestellt hat.

2. Im Rahmen der Forderungsprüfung hat der funktional zuständige Rechtspfleger auch zu prüfen, ob eine Forderungsanmeldung hinsichtlich des behaupteten Deliktscharakters formell ordnungsgemäß erfolgt ist.

2) AG Düsseldorf, 17.05.2024 – 513 IK 167/23 – Leitsatz 1

Das plötzliche Erkenntnis einer Gläubigerin bei einem vor über 15 Jahren titulierten Zahungsanspruchs handele es sich (auch) um einen vorsatzdeliktischen Anspruch führt –ohne dass dies gläubigerseitig konkretisiert wird -, zu einer insoweit rechtsmissbräuchlichen Forderungsanmeldung.

3) siehe auch schon BGH zur Anmeldung einer Forderung aus vorsätzlich begangener Unterhaltspflichtverletzung sowie AG Norderstedt: Anmeldung einer Deliktsforderung muss Mindestanforderungen erfüllen