Wucher mit Minikrediten

Das ZDF Verbrauchermagazin WISO berichtet in der am 08. Juli ausgestrahlten Sendung über sogenannte Mini- oder Mikrokredite. Zielgruppe dieser Kredite sind Menschen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Kreditsumme beträgt, bei einer Laufzeit von 1 bis 2 Monaten, oft zwischen 100 und 300 Euro. Kredite von weniger als 200 Euro und Kredite, die innerhalb von 3 Monaten zurückzuzahlen sind und für die nur geringe Kosten vereinbart werden, gelten nicht als Verbraucherdarlehen. Was unter geringe Kosten zu verstehen ist, ist nicht definiert und somit befinden sich diese Kredite in einer rechtlichen Grauzone.

Bei Minikredite sind die Kosten die Gefahr

Bei den Minikrediten sind die vereinbarten Zinsen das Problem, sondern die Kosten, die durch Zusatzleistungen entstehen. Die Anbieter solcher Kredite erheben hohe Kosten auf Dienstleistungen wie „Sofortauszahlung“ des Kreditbetrages oder die Vereinbarung einer „Zwei-Ratenzahlung“. So kann sich die ursprüngliche Summe unverhältnismäßig erhöhen. WISO führt ein Beispiel an, bei dem nach einer Aufnahme von 199 Euro nach 60 Tagen fast 280 Euro zurückzuzahlen war. Der Anbieter Vexchash bot gegen Zahlung einer zusätzlichen Gebühr an, die Kreditsummer zu erhöhen. Kunden laufen so in die die Gefahr, dass sie mehr Schulden machen, als gut für sie ist.

Achtung Wucher!

Andrea Heyer, vom Bündnis gegen Wucher, erläutert: „Von Wucher spricht man, wenn es ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gibt. In diesem Fall sind es die Zinsen und die enorm hohen Nebenkosten, die letztendlich das Produkt zum Wucher werden lassen.“ Die Verbraucherschützerin befürchtet, dass diese neue Kreditform massiv auf den Markt kommen wird geändert werden muss.  Heyer fordert, dass deshalb das Verbraucherdarlehensrecht geändert werden muss und Minikredite unter den Schutz des Gesetzes fallen müssen, so dass dann die Anbieter den effektive Jahreszins ausweisen müssen, inklusive aller anfallen Kosten.

Gesetzesänderung soll Abhilfe schaffen

Die Arbeitsgruppe Marktwächter Finanzen der Verbraucherzentralen sieht hier einen klaren Missstand und geht gegen die unlauteren Geschäftsgebaren vor. Gegen den deutschen Anbieter VexCash laufen bereits gerichtliche Verfahren; die Verbraucherzentralen warten die Entscheidungen ab und streben eine Gesetzesänderung an. Da die Anbieter Cashper und Ferratum ihre Firmensitze auf Malta haben, stellen die Marktwächter die entsprechenden Unterlagen mit dem Hinweis, dass gegen deutsches Recht verstoßen wird, der Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Verfügung. Sie gehen davon aus, dass die BaFin die Daten an die maltesische Aufsichtsbehörde weitergibt und hofft, dass Aufsichtsmaßnahmen eingeleitet werden.

Zur WISO-Sendung „Wucher mit Minikrediten“

 

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„Grüne machen GroKo für Abzocke durch Inkasso-Unternehmen verantwortlich“

Fokus Money online berichtet am 1.5.2018 über die Evaluierung der inkassorechtlichen Vorschriften des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken des instituts für finanzdienstleistungen (iff) im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV), Link.

Der Wucher ist zurück – Positionen der Parteien vor der Bundestagswahl 2017

Wer arm ist, dessen Notlage wird immer häufiger von Finanzdienstleistern ausgenutzt. Das iff hat im Vorfeld der Bundestagswahl die Positionen der Parteien dazu eingeholt.

Wir haben im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 die CDU/CSU, SPD, B90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE, FDP und AfD zu ihren Positionen zu Wucher befragt. Hier finden sich die eingegangenen Antworten.

Wir haben auch selber Antworten gegeben, mit denen Sie die Standpunkte der Parteien vergleichen können. Zufrieden sind wir nämlich nicht. Wenn es beim Wucher darum geht, ob man die geschilderten Prozesse sieht, ob man sie als Problem ansieht, ob es für das Problem eine spezifische Lösung gibt, so sind wir eigentlich von allen Parteien enttäuscht. Eine Partei kennt die Prozesse nicht, eine findet, das muss so sein, eine weitere will das Problem durch die Verbraucher lösen lassen, eine andere Lösungen, die so grundlegend sind, dass sie kaum Chancen haben und schließlich meint eine Partei sogar, dass, wenn man die Betroffenen außer Landes bringt, das Problem gelöst sei. Es steht also nicht gut mit dem Wucher.

Wer arm ist, dessen Notlage wird immer häufiger von Finanzdienstleistern ausgenutzt: Kreditzinsen inklusive Provisionen für Zusatzgeschäfte stehen in keinem Verhältnis zu der dafür erbrachten Leistung, die Notlage von Migranten wird bei Überweisungen an die Familien ausgenutzt.

Wucherkampagne

Das gemeinnützige institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff) setzt sich bereits seit drei Jahrzehnten wissenschaftlich mit Fragen zum Zugang zu Finanzdienstleistungen unter anderem im Auftrag verschiedener Bundesministerien, der Europäischen Kommission und des Parlaments und der Verbraucherverbände auseinander. Vor kurzem hat das iff ein Manifest gegen den Wucher veröffentlicht und wird sich im Rahmen einer Kampagne mit Verbraucherschutzorganisationen gegen den gesetzlich verbotenen Wucher einsetzen.

Hintergrund

Wucher tritt in der Finanzdienstleistungsbranche mittlerweile recht häufig auf. Er trifft insbesondere einkommensschwache Haushalte, die an der Schwelle zur Überschuldung stehen (Schwellenhaushalte) und Migranten. Diese Gruppe kann sich in der Regel nicht adäquat zur Wehr setzen. Im Kreditbereich ist der gesetzlich verbotene Wucher systemisch aufgebaut. Der einzelne Kredit sieht oft gut aus, der Wucher steckt in seiner Abfolge und Zusatzprodukten wie Restschuldversicherungen. Grundlage ist die Aneinanderreihung einzelner Kreditverträge. Kann ein Verbraucher einen Kredit nicht mehr bedienen oder braucht er dringend Zusatzkredit, so muss er sich an seinen bisherigen Kreditgeber wenden. Schuldet er zwei Kreditraten, darf die Bank den Kreditvertrag kündigen. Dadurch wird die gesamte geschuldete Restsumme auf einen Schlag fällig. Im Angesicht einer aussichtslosen Überschuldung macht die Bank dem Verbraucher also ein Umschuldungsangebot, das dieser praktisch nicht ablehnen kann – zu wucherischen Konditionen. Die Bank kann bei jeder Umschuldung einen neuen Zinssatz, neue Produkte, Raten etc. anbieten. Der Verbraucher wird alles akzeptieren, weil es keine Alternative gibt. Besonders perfide ist die Restschuldversicherung. Die Bank zwingt dem Verbraucher Versicherungen, häufig Lebensversicherungen, auf, die die Rückführung seines Kredites sicherstellen sollen. Diese Versicherungen sind im Vergleich übermäßig teuer und sind auf die Bedürfnisse der Bank zugeschnitten. Umso öfter umgeschuldet wird, umso höher ist die Rendite aus der Restschuldversicherung. Zum systemischen Wucher gehört auch, den zahlungsunfähigen oder -unwilligen Verbrauchern die Kosten für das Inkasso aufzubürden.

Antworten des iff

1. Halten Sie die Mehrbelastung von geringeren Einkommensgruppen bei Bankgeschäften mit dem Hinweis auf deren angeblich geringere Kreditwürdigkeit für gerechtfertigt? („The Poor Pay More“)

Antwort:

Ungleichbehandlungen sind Diskriminierungen, die einer Begründung bedürfen. Ein statistischer Zusammenhang reicht hier ebenso wenig wie für die Frage, ob die Anzahl der überfliegenden Störche die Geburtenrate erhöhen. Genau damit argumentiert die Kreditwirtschaft. Es gibt keine Belege, dass Arme die schlechteren Zahler sind als Reiche. Über 90% der armen Kunden zahlen ihre Kredite voll zurück, obwohl ihnen bis zu acht Mal mehr Zinsen zur Kompensation ihrer Armut auferlegt werden. Es ist der Wucher, der die Armut befördert und nicht die Armut, die den Wucher legitimiert. Wir brauchen kein neues Gesetz, sondern nur eine Anwendung der bestehenden Vorschriften.
In der Marktwirtschaft haben Anbieter das Recht zur diskriminierenden Preisgestaltung aber nur mit zwei Einschränkungen: sie müssen die Belastung transparent machen und offenlegen (Effektivzinssatz und Tilgungsplan). Sie dürfen nach dem Wucherverbot die Not nur bis zur Grenze des Doppelten des Üblichen ausbeuten. Beides ignoriert die Praxis.

Anbieter haben auch das Recht zur diskriminierenden Preisgestaltung mit zwei Einschränkungen: sie müssen die Belastung transparent machen und offen legen (Effektivzinssatz und Tilgungsplan). Sie dürfen nach dem Wucherverbot die Not nur bis zur Grenze des Doppelten des Üblichen ausbeuten.

2. Unterstützen sie eine Gesetzesinitiative, die bei der Wucherprüfung von Krediten alle Belastungen der Kreditnehmer aus zugleich abgeschlossenen anderen Verträgen wie insbesondere Versicherungsverträgen einbezieht?

Antwort:

So würde die Ersetzung der von der Finanzlobby eingefügten Ausnahme für Versicherungen in §6 Abs.4 Ziffr. 2 PAngV durch folgenden Passus ausreichen:

Jetzige Fassung: „die keine Voraussetzung für Verbraucherdarlehensvergabe …“

Neue Fassung nach EU-Vorschlag 2002: „deren Abschluss nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der Kreditvergabe stehen“

 3. Werden sie die Praxis der Kettenumschuldungen eindämmen, durch die Zwangslage überschuldeter Personen zur Umschuldung in immer schlechtere Kreditkonditionen missbraucht wird?

Antwort:

Wer aus Kreditnot umschuldet hat keine Marktfreiheit. Er ist an den bisherigen Kreditgeber gebunden. Die Rechtsprechung verbietet es, aus der Not eines Kreditnehmers Vorteile zu erstreben. Dies  gilt vor allem für Umschuldungssysteme, bei denen sich statistisch nachweisen lässt, dass die Zwangslage bewusst herbeigeführt wird und die Konditionen ständig verschlechtert werden. Der strafrechtliche Wucherparagraph muss hier ausgedehnt werden auf systemischen Wucher.

Jetzige Fassung: §291 StGB „1) Wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten“

Neue Fassung: „Wer die Notlage, die sich durch Überschuldung, Zwang … ergibt ausbeutet oder durch die Gestaltung von Absatz oder Produkten Systeme entwickelt, in diesen solche Zwangslagen entstehen, dass er sich …“

4. Was werden sie tun, um die Belastung von Migranten bei Überweisung an ihre Familien zu Hause mit bis zu 20% des Betrages durch Gebühren zu verhindern?

Antwort:

Innerhalb des Euroraums dürfen Überweisungen nicht teurer sein als innerhalb Deutschlands. Warum aber sollen Banken dann bei 150 € Überweisung in die Türkei mehr als 20% der Summe als Gebühr einbehalten dürfen? Es geht nicht, dass Arbeitnehmer aus der Türkei so ausgebeutet werden, dass es sich für sie fast schon lohnt, sich an die wucherischen privaten Geldtransferfirmen zu wenden.

Die BaFin muss die Überweisungsentgelte erfassen und überwachen. Wucher muss verhindert werden.

5. Was werden sie tun, damit der Anteil der Schulden Überschuldeter der nicht in Darlehen besteht, die der Kunde nutzen konnte, sondern aus den darauf aufgeschlagenen Kosten, Gebühren, Zwangsvollstreckungskosten, Umschuldungverlusten und Verzugszinsen nicht weiter steigt?

Antwort:

Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt das Zinseszinsverbot, eine Deckelung von Verzugszinsen und das Prinzip, dass außergerichtliche Beitreibungskosten nur dann ersetzt verlangt werden können, wenn sie objektiv notwendig sind. Die Bundesregierung hat diese Prinzipien aufgeweicht. Durch Umschuldungen kann man Zinsen in Kapital verwandeln und darauf Zinsen nehmen. Verzichtet man bei Überschuldeten auf Kreditkündigung, so kann man die Verzugszinsdeckelung umgehen. Schaltet man einen Anwalt ein, so gilt dies immer als notwendig, auch wenn die Anwaltsbüros nichts anderes als ausgelagerte Abteilungen sind.

Auch hier wird geltendes Recht nicht angewandt.

Die BaFin ist neuerdings für die kollektiven Belange der Verbraucher zuständig. Sie macht hier nichts, legt keine Rechenschaft ab und versteckt sich hinter den Zivilgerichten. Sie sollte verpflichtet werden, alle diese Missstände zu beobachten und darüber jährlich an die Öffentlichkeit berichten.

Für die Armen fehlt es nicht an Recht, sondern an Rechtsdurchsetzung.

PRESSEMITTEILUNG VON FACING FINANCE, FAIR FINANCE INSTITUTE, FINANCE WATCH, IFF, MONNETA, MONETATIVE, SÜDWIND-INSTITUT

PRESSEMITTEILUNG VON FACING FINANCE, FAIR FINANCE INSTITUTE, FINANCE WATCH, IFF, MONNETA, MONETATIVE, SÜDWIND-INSTITUT

Parteiencheck zur Finanzmarktregulierung: Große Uneinigkeit über Reformbedarf zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise
Ein Netzwerk von sieben Nichtregierungsorganisationen veröffentlicht die Antworten der Parteien auf seinen Fragenkatalog „Reformbedarf der Finanzmärkte 10 Jahre nach der Krise“ im Vorfeld der Bundestagswahl

Hamburg, den 8. September 2017 – Das Finanzsystem soll der Wirtschaft und Gesellschaft dienen, nicht schaden. Nach der letzten Finanzkrise haben Politiker eine weitreichende Reformierung des Finanzwesens versprochen – und doch ist das Finanzsystem zehn Jahre später fast so fragil wie zuvor. Immer noch fließt zu viel Geld in spekulative Aktivitäten anstatt sinnvolle und nachhaltige Projekte in der Wirtschaft zu finanzieren, immer noch lässt sich der Staat von der Finanzwirtschaft erpressen und rettet Banken, Bausparkassen und Versicherungen auf Kosten der Steuerzahler und Verbraucher. Es müssen effektivere Reformen ergriffen werden, will man eine Neuauflage der Krise vermeiden und ein nachhaltiges Finanzsystem schaffen.

Doch wie bewerten die Parteien, die sich bei der Bundestagswahl am 24. September zur Wahl stellen, den Reformbedarf des Finanzsystems? Und welche Maßnahmen wollen sie ergreifen? Sieben Organisationen, die sich aus zivilgesellschaftlicher Perspektive seit vielen Jahren kritisch mit dem Finanzsystem und seinen Folgen beschäftigen, haben sechs Parteien gebeten zu ihren Fragenkatalog Stellung zu nehmen und von allen Antworten erhalten: CDU, SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD.

Allgemein lassen sich folgende Tendenzen feststellen: 

  • CDU/CSU schätzt die von ihnen unterstützten Gesetze für weitestgehend ausreichend ein. Den Hauptreformbedarf sehen sie in einer erhöhten Proportionalität der Regulierung und fordern daher Ausnahmen für kleine Banken („Small Banking Box“).
  • Die SPD scheint grundsätzlich mit den mitgetragenen Reformen zufrieden. Sie will allerdings den gefährlichen Hochfrequenzhandel eindämmen und wirbt offensiv für eine Finanztransaktionssteuer.
  • Die Linke spricht sich für eine radikale Veränderung der Finanzmarktarchitektur aus, zum Beispiel für eine Vergesellschaftung der privaten Banken, mit starker Betonung der Rolle von Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Zusätzlich strebt die Partei die Einführung eines „Finanz-TÜV“ an, d.h. es werden nur Finanzprodukte zugelassen, die nachweislich keine negativen Auswirkungen auf Gesellschaft oder Verbraucherrechte haben.
  • Bündnis 90/Die Grünen fordern deutlich einfachere, aber härtere Regeln für die Finanzindustrie, damit große Banken weniger Schlupflöcher nutzen können und kleine Banken mit den bürokratischen Anforderungen zurechtkommen. Ein Beispiel ist eine deutlich höhere Eigenkapitalquote, die nicht durch interne Risikomodelle kleingerechnet werden kann, sowie die Offenlegung von Klimarisiken.
  • Die FDP setzt tendenziell eher auf die disziplinierende Kraft des Marktes und will daher Aktionäre und Gläubiger konsequenter in die Haftung nehmen, wenn Banken in Schieflage geraten.
  • Die AfD äußert sich systemkritisch, bleibt aber in ihrer Analyse sehr pauschal und bietet kaum Lösungsvorschläge.

Thomas Küchenmeister, geschäftsführender Vorstand von Facing Finance, kritisiert:

„Solange die Bundesregierung den Schutz und die Wahrung der Menschenrechte als Querschnittsaufgabe ihrer Politik bezeichnet, darf sie den Finanzsektor nicht ausklammern. Insbesondere die Abschaffung der vorvertraglichen Informationspflicht über die Beachtung ökologischer und sozialer Standards bei der staatlich geförderten Altersvorsorge erhöht aber die Intransparenz – vielmehr sollte die staatliche Förderung von Altersvorsorgeprodukten endlich verbindlich an soziale und ökologische Mindeststandards gekoppelt werden.“ 

Markus Duscha, Gründer des Fair Finance Institutes in Heidelberg, hebt hervor:

„Es gibt weiterhin einen viel zu hohen spekulativen Anteil von Transaktionen im Finanzwesen. Dieses ´Lotteriespiel´ auf Kosten wirtschaftlich und gesellschaftlich sinnvoller Aktivitäten muss eingedämmt werden. Die weiterhin ausstehende Einschränkung des Hochfrequenzhandels, die seit langer Zeit geplante Finanztransaktionssteuer und ggfs. eine Zulassungspflicht neuer Finanzprodukte sind hier von besonderer Bedeutung.“

Rainer Lenz, Vorstand der in Brüssel ansässigen NGO Finance Watch, appelliert an die Parteien: 

„Trotz einiger Fortschritte bietet auch die heutige Finanzmarktregulierung keinen ausreichenden Schutz für die deutschen Steuerzahler, deutsche Banken sind mit 5,3 Prozent Eigenkapitalquote im Durchschnitt nach wie vor unterkapitalisiert.  Viele Gesetze, wie das deutsche Trennbankengesetz etwa, greifen viel zu kurz und ändern in der Praxis kaum etwas. 

Deutschland hat zur Wiederherstellung der Stabilität des Finanzsektors 392 Mrd. Euro an öffentlichen Mitteln  aufgewendet. Dazu darf es nie wieder kommen. Deshalb können und dürfen wir uns auf dem bisher Erreichten nicht ausruhen und dazu brauchen wir vor allem politischen Willen, die Reformen des Finanzsektors weiter voranzutreiben, z.B. eine höhere Eigenkapitalquote und ein effektives Trennbankensystem.“ 

Dirk Ulbricht, Direktor des institut für finanzdienstleistungen (iff), ergänzt: 

„Die Komplexität der Regulierung erzeugt regelmäßig Schlupflöcher, so¬dass Regulierung oft ins Leere läuft. Das Ergebnis ist eine Scheinsicherheit, verbunden mit hohem bürokratischem Aufwand. Die Rettung der venezianischen Banken hat gezeigt, dass die Gesellschaft nach wie vor für die Risiken der Banken haften muss. Daher darf es zu keinem Nachlassen der Regulierungsbemühungen kommen. 

Vielmehr brauchen wir zum Beispiel deutliche härtere Vorgaben in der Fusionskontrolle für Finanzinstitute und konsequente und ausnahmslose Anwendung der Bankenregulierung für alle Finanzinstitute, die bankähnliche Geschäfte betreiben (sogenannte „Schattenbanken“), also z.B. auch für Versicherungen und Geldmarktfonds.“

Lino Zeddies, 2. Vorsitzender der gemeinnützigen Geldreformbewegung Monetative, fügt hinzu:

„Über 90% des Geldes wird nach wie vor nicht von der staatlichen Zentralbank geschaffen, sondern von gewinnorientierten privaten Geschäftsbanken durch Kreditvergabe. Solange an diesem Systemfehler nichts geändert wird, hängt die Gesellschaft am Kredittropf der Banken und sitzt das Finanzsystem am längeren Hebel. Die Folge sind Überschuldung, exzessive Spekulation, Finanzkrisen, Bankenrettungen, Wachstumszwang und damit der voranschrei-tende Zusammenbruch des gesellschaftlichen Zusammenhalts und demokratischer Werte.

Eine überfällige Reformmaßnahme ist daher die Vollgeldreform, deren Kern es ist, die gesamte Geldschöpfung allein an eine öffentliche Gewalt zu überführen und damit das Geld- und Finanzsystem in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.“

Kathrin Latsch, Geschäftsführerin MONNETA, meint:

„Das Finanzsystem ist weder nachhaltig noch alternativlos. Um es zu reformieren sollten unsere politischen Vertreter sowohl grundsätzliche Fragen beantworten als auch entsprechende Reformmaßnahmen anstreben.“

Doch nicht nur die Stabilität des Finanzwesens und der Schutz vor weiteren Krisen sollte erhöht werden, auch braucht es deutlich mehr Verbraucherschutz im Finanzwesen sowie Mechanismen, um Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken, die der Gesamtgesellschaft nützen, der Natur nicht schaden und nicht neue Spekulationsblasen fördern. So sollte die Regulierung beispielsweise auch Mindeststandards für Nachhaltigkeit im Sinne der „sustainable development goals“ (SDG) der Vereinten Nationen, gewährleisten. 

Martina Schaub, Geschäftsführerin SÜDWIND-Institut, betont: 

„Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf zu wissen, was mit ihrem Geld passiert und ob damit unethische oder ökologisch nicht nachhaltige Investitionen getätigt werden. Das ist mit der heutigen Gesetzgebung nicht ausreichend möglich.“

ENDE

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