Praxistipp: zum 1.1.2025 ändert sich bezüglich der Rechtsbehelfsfristen die sog. „Zugangsfiktion“ von Bescheiden

Harald Thomé in seinem aktuellen Newsletter:

Diese „Zugangsfiktion“ regelt, wann ein Bescheid bei Bürger oder Bürgerin als „zugegangen“ gilt, und zwar in § 37 Abs. 2 S. 2 SGB X. Diese Regelung beträgt derweilen „drei Tage“ und wird ab Januar 2025 auf „vier Tage“ geändert. Die Änderung erfolgt im Rahmen des Postrechtsmodernisierungsgesetz [vgl. bundestagszusammenfasser.de und BGBl.], weil die Briefe eine längere Postlaufzeit haben. (…)

Hier eine Übersicht über die Änderungen in Buzer.

Ich habe dazu mal ein Infoblatt gemacht, aus dem sich die Fristen zum Einlegen von Widersprüchen ergeben, einmal mit Rechtslage bis 2024 und ab 2025.

Solch eine Fristenberechnung sollte ohnehin in jeder Beratungsstelle hängen.

Leistungsstreichungen für Dublin-Geflüchtete in Kraft, Leistungskürzungen für alle ab 2025

Claudius Voigt, GGUA Münster, am 2.11.2024 unter tacheles-sozialhilfe.de:

„Die Änderung des § 1 Abs. 4 AsylbLG als Teil des völlig zu Unrecht so genannten „Sicherheitspakets“ ist am 30.10.24 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und damit heute in Kraft getreten. Was die staatlich produzierte Verelendung einer Menschengruppe auch nur im Entferntesten mit „Sicherheit“ zu tun haben soll, ist unerklärlich. Die Regelung in Kürze: [wird ausgeführt].

Die Bundesregierung hat beschlossen, den Regelsatz für Menschen im Grundleistungsbezug nach § 3 AsylbLG im Jahr 2025 zu kürzen. Im Gegensatz zu den Leistungen nach SGB II, SGB XII und den Analogleistungen nach § 2 AsylbLG sollen die Regelsätze nicht eingefroren bleiben, sondern um 13 bis 19 Euro sinken. Begründet wird dies vom sozialdemokratisch geführten BMAS formal damit, dass eine Bestandsschutzregelung für den Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG nicht vorgesehen sei.

Hier sind die neuen Sätze im Bundesgesetzblatt. Die Kolleg*innen vom hessischen Flüchtlingsrat haben dankenswerterweise schon eine Übersicht über die alten und neuen Regelsätze gemacht: [Tabelle]“

§ 7a UVG wird zum Jahreswechsel aufgehoben

Das „Vierte Bürokratieentlastungsgesetz“ ist diese Woche verkündet worden (BGBl. 2024 I Nr. 323 vom 29.10.2024). Das Gesetz wird u.a. in Bezug auf Wirtschaftskriminalität krititsiert (Finanzwende; tagesschau.de).

Ein wenig untergegangen ist, dass zum Jahreswechsel § 7a UVG ersatzlos gestrichen wird (Art. 11 Nr. 2 des Gesetzes).

Damit wird die Entscheidung des BGH, 31.05.2023, XII ZB 190/22 hinfällig. Deren Leitsatz lautet:

§ 7a UVG untersagt – auch zum Schutz des Unterhaltspflichtigen – nicht lediglich die Vollstreckung, sondern bereits die gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs durch den Sozialleistungsträger und gilt für die Zeiträume, in denen die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind.

Aus der Gesetzesbegründung: „Diese Regelung wurde zum 1. Juli 2017 mit dem Ziel der Verwaltungserleichterung neu in das Gesetz eingefügt. Dieses Ziel wurde jedoch nicht erreicht, weshalb die Regelung aufgehoben wird. Die Regelung ist beim Unterhaltsrückgriff nicht hilfreich und vermindert den Rückgriffserfolg bei der Gruppe der barunterhaltspflichtigen Elternteile im SGB-II-Leistungsbezug. Wird eine fiktive unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit unterstellt und zugleich der Rückgriff darauf reduziert zu verhindern, dass Forderungen verjähren, besteht kein wirksames Druckmittel mehr. Die mit der Regelung angestrebte Verwaltungserleichterung kann zudem durch eine Ermessensausübung in der Sachbearbeitung im Einzelfall leichter erzielt werden. Außerdem ist die Klärung der Voraussetzungen des § 7a UhVorschG regelmäßig aufwendiger als die Durchführung erfolgloser Vollstreckungsmaßnahmen.“ (BT-Drucksache 20/11306, 95).

Referentenentwurf „Finanzbildungsstärkungsgesetz“

Das Bundesfinanzministerium meldet: „Mit dem Finanzbildungsstärkungsgesetz soll durch Einrichtung einer Stiftung „Finanzbildung, Geld und Währung“ die Grundlage für eine dauerhafte Verbesserung der finanziellen Bildung in Deutschland gelegt werden.

Die Stiftung soll künftig insbesondere die Umsetzung von bundesweiten Maßnahmen und Strategien zur Stärkung der finanziellen Bildung in Deutschland in enger Abstimmung mit den Stakeholdern der finanziellen Bildung koordinieren und darüber hinaus auch eigene Finanzbildungsinhalte entwickeln, von pädagogischen Ressourcen bis hin zu Sensibilisierungskampagnen. Mit der Einrichtung der Stiftung wird eine der zentralen Empfehlungen der OECD an Deutschland im Bereich der finanziellen Bildung umgesetzt.“

Seit dem 02.10.2024 gibt es einen Referentenentwurf. Schon jetzt gibt es das Gesetz über die Ausprägung einer 1-DM-Goldmünze und die Errichtung der Stiftung „Geld und Währung“. Siehe dort zur Stiftung die §§ 10ff. Insbesondere § 11 Stiftungszweck soll geändert werden.

Die AGSBV hat dazu eine Stellungnahme verfasst und muss freilich eintschränken: „Aufgrund der sehr kurzen Frist zur Stellungnahme können wir im Folgenden nur kursorisch auf ausgewählte Punkte des Entwurfs eingehen.“

BAG-SB zum Gesetzentwurf „Digitalisierung der Zwangsvollstreckung“: Zweierlei Maß für überschuldete Personen und Gläubiger

Der Rechtsausschuss des Bundestages befasst sich heute mit dem Thema „Digitalisierung der Zwangsvollstreckung“ (vgl. RegE – Drucksache 20/11310 sowie www.bundestag.de/(…)/kw20-de-digitalisierung-zwangsvollstreckung-1002708 mit Stellungnahmen).

Die BAG-SB dazu in einer aktuellen PM: „Der derzeit auf bundespolitischer Ebene diskutierte Gesetzesentwurf zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckung verdeutlicht erneut, dass im Schuldrecht mit zweierlei Maß gemessen wird. Bisher wurden Schriftstücke im Zwangsvollstreckungsverfahren sowohl postalisch – insbesondere bei Originaldokumenten wie Vollstreckungstiteln und Kostenvorschüssen – als auch elektronisch übermittelt. Dies führte zu einer hybriden Aktenführung, bei der sowohl eine elektronische als auch eine Papierakte erforderlich war. Der neue Gesetzentwurf sieht vor, diese hybride Übermittlung zu reduzieren und in den meisten Fällen eine rein digitale Weitergabe von Schriftstücken zu ermöglichen.

Die Reduzierung von Papierdokumenten im Rahmen der Digitalisierung ist grundsätzlich ein positiver und längst überfälliger Schritt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V. (BAG-SB) unterstützt eine solche Vereinheitlichung der Verfahren, warnt jedoch eindringlich davor, dass dies nicht zulasten der überschuldeten Haushalte geschehen darf.

Insgesamt wirke der Gesetzesentwurf weniger auf den Schutz der Schuldnerinnen und Schuldner als auf eine Reduzierung des Verwaltungsaufwands ausgerichtet, moniert die BAG-SB. “Der Gesetzentwurf geht leider nicht auf alte und neue Probleme des Schuldnerschutzes ein und lässt vor allem Konsequenzen bei Fehlverhalten von Gläubigern vermissen.”, betont die Geschäftsstelle des Vereins in Berlin. Ein besonders deutliches Beispiel ist die Ungleichbehandlung bei abzugebenden Versicherungen: Während Schuldnerinnen und Schuldner die Richtigkeit ihrer Angaben an Eides statt versichern und schwere rechtliche Konsequenzen bei Falschangaben riskieren müssen, dürfen Gläubiger ihre Angaben oft ohne jegliche Haftungspflicht durch standardisierte Textbausteine abgeben. Diese Ungleichbehandlung schafft Raum für Unrecht und birgt Missbrauchspotential – ein Problem, das im aktuellen Gesetzesentwurf unzureichend berücksichtigt wird.

Bericht der Bundesregierung zur Evaluation des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

Unter der Bundestags-Drucksache 20/12250 wurde nun der Evaluationsbericht zur weiteren Verkürzung der Restschuldbefreiung auf 3 Jahre vorgelegt, der nach Art. 107a Abs. 1 EGInsO zu erstellen war. Auszüge:

„Die Entwicklung der Antragszahlen seit Anfang des Jahres 2022 gibt keinen Hinweis darauf, dass Verbraucher vermehrt oder systematisch von der Möglichkeit einer Restschuldbefreiung Gebrauch machen wollen. Vielmehr bewegen sich die Zahlen weitgehend konstant auf dem Niveau von 2018 und 2019. Anhaltspunkte für eine dauerhafte oder strukturell bedingte wachsende Nachfrage nach Entschuldungen, die sich als Ausdruck einer ausbreitenden Sorglosigkeit von Verbrauchern in Finanzfragen interpretieren ließe, sind hiernach nicht ausmachbar. (…)

Die Frage zu den Auswirkungen der Speicherung insolvenzbezogener Daten durch Auskunfteien auf die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neustarts der betroffenen Personen hat zu wesentlichen Teilen durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 7. Dezember 2023 in den verbundenen Rechtssachen C-26/22 und C-64/22 ihre Erledigung gefunden. Hiernach sind Auskunfteien nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a DSGVO gehalten, aus öffentlichen Registern gewonnene insolvenzbezogene Daten nicht über die für das öffentliche Register geltende Speicherhöchstfrist hinaus zu speichern. (…)“

Darüber hinaus gibt es noch den Teil „V. Anregung weiterer Anpassungen aus der durchgeführten Anhörung“

Siehe auch die PM der ARGE Insolvenzrecht & Sanierung des DAV

StromGVV / GasGVV: Sperrschutzregeln heute verlängert

Die Schutzregeln in § 19 StromGVV bzw. § 19 GasGVV wurde heute bis zum 30.04.2025 verlängert. Siehe – Achtung sperriger Titel!

Verordnung zur Anpassung der Stromgrundversorgungsverordnung und der Gasgrundversorgungsverordnung zur befristeten Verlängerung der Regelung zur Aussetzung der monatlichen Ratenzahlungsvereinbarungen während der Dauer einer Abwendungsvereinbarung

BGBl. 2024 I Nr. 192 vom 19.06.2024, www.recht.bund.de/bgbl/1/2024/192/VO.html

Mehr dazu schon unter Energiesperren: wann kommt die Verlängerung der Sperrschutzregeln?

Energiesperren: wann kommt die Verlängerung der Sperrschutzregeln?

Die Bundesregierung beabsichtigt, die Übergangsregelung in § 118b EnWG bis zum 30. April 2025 zu verlängern. Gleiches gilt für § 19 StromGVV bzw. § 19 GasGVV.

Insoweit ist die Lektüre der beiden FBSB-Meldungen NRW hilfreich:

Die Verlängerungen hängen aber im Bundesrat… Siehe dip.bundestag.de/vorgang/gesetz-zur-umsetzung-der-eu-erneuerbaren-richtlinie-in-den-bereichen-windenergie-auf/310640 bzw. dip.bundestag.de/vorgang/verordnung-zur-anpassung-der-stromgrundversorgungsverordnung-und-der-gasgrundversorgungsverordnung-zur-befristeten/311403. Das ist misslich, da die aktuellen Regelungen nur bis Ende April gegolten haben.

Stephan Rixen: EU-Recht verlangt Rechtanspruch auf kostenfreie Schuldnerberatung

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) meldet, dass der Verfassungs- und Sozialrechtsexperte Prof. Dr. Stephan Rixen, Direktor des Instituts für Staatsrecht der Universität zu Köln, in einem Rechtsgutachten zu dem Ergebnis kommt, dass Artikel 36 der EU-Verbraucherkreditrichtlinie durch einen Rechtsanspruch auf kostenfreie Schuldnerberatung umgesetzt werden muss.

Das Gutachten ist auf der AG SBV-Seite abrufbar und sehr lesenswert. Für Eilige: die Zusammenfassung ab Seite 40 ist ein Gewinn!

Siehe auch Kostenfreie Schuldnerberatung ist ein Gebot der Stunde! EU-Parlament verabschiedet Richtlinie mit deutlichen Verbesserungen und direkt den Art. 36 der Richtlinie EU) 2023/2225.

Der Caritasverband für das Bistum Aachen e. V. hatte das Rechtsgutachten in Abstimmung mit der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) in Auftrag gegeben.

Gesetzentwurf zur Digitalisierung der Zwangsvollstreckung

Die Bundesregierung hat den „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckung“ (20/11310) eingebracht. Ziel ist es danach, die Anzahl der Aufträge und Anträge in hybrider Form bei den Vollstreckungsorganen zu reduzieren.

Durch Änderungen in der Zivilprozessordnung (Paragrafen 754a und 829a) soll es umfangreicher als bisher erlaubt werden, anstatt der vollstreckbaren Ausfertigung und anderer Schriftstücke in Papierform elektronische Kopien davon an das Vollstreckungsorgan zu übermitteln. Weitere Neuregelungen beziehen sich etwa auf den elektronischen Rechtsverkehr mit dem Gerichtsvollzieher.

In seiner Stellungnahme zu dem nicht zustimmungspflichtigen Gesetzentwurf schlägt der Bundesrat vor, eine im Gerichtskostengesetz enthaltene Regelung zu Vorauszahlungspflicht der Gerichtsgebühren in Zwangsvollstreckungsverfahren zu streichen. Dadurch solle die Digitalisierung der Zwangsvollstreckung gefördert werden. Die Bundesregierung zeigt sich in ihrer Gegenäußerung grundsätzlich offen für den Vorschlag, will die Streichung aber zunächst zurückstellen.

Quelle: Bundestagsmeldung