Stellungnahmen zum Regierungsentwurf “Inkassogesetz”

Im April hat die Bundesregierung den “Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften” beschlossen (vgl. unsere Meldung).

Nach der Bundestagsdebatte vom 1.7.2020 liegen nun zwei Stellungnahmen vor:

Arbeitsgruppe Verbraucherinsolvenz der ARGE Insolvenzrecht und Sanierung im DAV empfiehlt: Insolvenzantrag erst ab Oktober 2020 stellen

Hier der Hinweis auf die PM der Arbeitsgruppe Verbraucherinsolvenz der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) zum RegE-Verkürzungsgesetz.

“Die Arbeitsgruppe Verbraucherinsolvenz der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im DAV begrüßt die Regelung nachdrücklich, insbesondere vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung in der Corona-Krise. (…)

Wir bedauern allerdings, dass Auskunfteien Einträge über die Erteilung der Restschuldbefreiung auch weiterhin drei Jahre speichern können“, so Henning (mehr …)

MdB Manuela Rottmann (B90/Grüne): “Der dümmste aller denkbaren Kompromisse: Regierungsentwurf zur Verkürzung der Frist bis zur Restschuldbefreiung nach Insolvenz untauglich”

Manuela Rottmann, Obfrau der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, erklärt [Klammerlinks von uns]:

“Selbständige und Verbraucher hätten noch vor der Sommerpause Sicherheit gebraucht, dass es auch nach einer Insolvenz in Folge des wirtschaftlichen Einbruchs der letzten Monate für sie weiter geht. Deshalb haben die Grünen schon zu Beginn dieser Einschränkungen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie die sofortige Verkürzung der Frist zur Restschuldbefreiung von bislang sechs auf nur noch drei Jahre gefordert [vgl.]. Der Verband der Insolvenzverwalter hat sich der Forderung der Grünen angeschlossen [vgl.]. Verbote gewerblicher Betätigung sollten zudem nicht mehr allein auf die Insolvenz gegründet werden können. Um einen Neustart zu erleichtern, muss außerdem die Speicherung der Insolvenz durch Schuldnerauskunfteien auf ein Jahr nach Abschluss des Insolvenzverfahrens begrenzt werden. Darüber hinaus lässt sich keine Rechtfertigung für eine Speicherung mehr begründen. Wegen der Dringlichkeit hat die Grüne Bundestagsfraktion dazu bereits im April einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht (BT-Drs. 19/18681).
Nach langem Zögern kündigte die Bundesregierung im Rahmen ihres sogenannten Konjunkturpakets zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie an, die Wohlverhaltensperiode auf drei Jahre zu verkürzen.

Der heute vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf [hier] ist allerdings eine große Enttäuschung: Er kommt viel zu spät, er setzt Fehlanreize, er hilft gerade denen nicht, die durch die Pandemiebekämpfung unverschuldet ihre Forderungen nicht mehr bedienen können.

Durch das lange Zuwarten der Justizministerin kann der Bundestag die Restschuldbefreiung erst nach der parlamentarischen Sommerpause vom Bundestag beschließen. Dabei brauchen die Menschen jetzt eine verlässliche Grundlage für die Entscheidung über ihre Zukunft.

Noch schlimmer: Für alle Insolvenzanträge, die vor dem 1. Oktober 2020 gestellt werden, verkürzt sich die Frist zur Restschuldbefreiung nur allmählich [vgl.]. Wer am 30.9.2020 einen Insolvenzantrag stellt, weil er wegen Kurzarbeit oder Einschränkungen seiner wirtschaftlichen Betätigung seine Forderungen absehbar nicht mehr bedienen kann, muss nach dem Regierungsentwurf vier Jahre und zehn Monate auf eine Restschuldbefreiung warten. Wer den Antrag einen Tag später am 1.10.2020 stellt, kann damit in drei Jahren rechnen. Das ist der dümmste aller denkbaren Kompromisse. Mit dem Regierungsentwurf werden so starke Anreize gesetzt, dass ein Schuldner, auch wenn er weiß, dass eine Insolvenz unvermeidbar ist, den Antrag bis zum 1.10.2020 hinauszögert. Es wird also genau das zusätzliche Risiko für Gläubiger geschaffen, das die Koalition angeblich vermeiden will. Eine sofortige Verkürzung der Frist gerade angesichts der zahlreichen zu erwartenden unverschuldeten Insolvenzen wäre für den Markt viel sicherer gewesen und hätte solch taktisches Verhalten ausgeschlossen.

Falsch ist es auch, dass die Koalition die jahrelange Speicherung der Informationen über das Insolvenzverfahren bei Auskunfteien beibehalten will. Hier wurde der Lobby derjenigen nachgegeben, die mit solchen Informationen ihr Geld verdienen. Gerade Menschen, die jetzt unverschuldet zahlungsunfähig geworden sind, hängt man damit einen Mühlstein um den Hals, der einen Neuanfang, etwa den Abschluss von Miet- oder Darlehensverträgen, deutlich erschwert.

Schließlich wird die Verkürzung der Restschuldbefreiung auf drei Jahre für Verbraucherinnen und Verbraucher befristet. Auch das ist Unsinn. Die Evaluation der bisherigen Insolvenzrechtsreformen hat gezeigt, dass Insolvenzen im Verbraucherbereich weit überwiegend auf Ereignisse wie Scheidung, Krankheit oder Arbeitslosigkeit zurück zu führen sind [vgl.] und dass lange Fristen die Schuldner bei der Überwindung ihrer Krisen behindern, den Gläubigern aber keine nennenswerte zusätzliche Befriedigung ihrer Forderungen bringen.

Im drastischsten Wirtschaftseinbruch in der Geschichte der Bundesrepublik hätten die Menschen ein Signal des Vertrauens in ihren Neuanfang gebraucht. Von der Bundesregierung schlägt ihnen aber nur Misstrauen und Gängelei entgegen.”

BAG-SB zum RegE-Verkürzungsgesetz: “Entschuldung nach drei Jahren mit staatlicher Überwachung?”

Die BAG hat eine Pressemitteilung zum gestrigen Regierungsentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens (mehr dazu in unserer Meldung) veröffentlicht:

“Das Bundeskabinett hat in der Sitzung vom 01.07.2020 die Verkürzung der Restschuldbefreiung auf drei Jahre ohne Mindestquote beschlossen und erfüllt damit eine Vorgabe der Europäischen Union. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB) begrüßt diese überfällige Verkürzung, die zum 01. Oktober in Kraft treten soll und dann für neue Anträge gilt. Wer jetzt mit der Antragstellung bis Oktober wartet, hat also die Chance, eher wirtschaftlich neu starten zu können. Dies ist insbesondere angesichts der zu erwartenden Covid-19-bedingten steigenden Zahl von Insolvenzen von Arbeitnehmern und Kleinbetrieben immens wichtig. (…)

Gleichzeitig enthält der Entwurf aber unnötige und z. T. systemwidrige Einschränkungen. (mehr …)

Bundesregierung legt Gesetzentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens für Anträge ab dem 1.10.2020 vor – und befristet dies bis Mitte 2025

“Die Bundesregierung hat heute den von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens beschlossen.

(…) [Damit] werden die Richtlinienvorgaben1 zur Restschuldbefreiung umgesetzt, wonach das Verfahren nur noch drei Jahre statt bisher im Regelfall sechs Jahre dauern soll. Die Regelungen sollen nicht nur, wie von der Richtlinie vorgesehen, für unternehmerisch tätige Schuldner gelten, sondern, wie von der Richtlinie empfohlen, auch für Verbraucherinnen und Verbraucher. Anders als bislang soll es dabei künftig für die Restschuldbefreiung nicht mehr erforderlich sein, dass die Schuldnerinnen und Schuldner ihre Verbindlichkeiten in einer bestimmten Höhe tilgen.

(…) Darüber hinaus werden die Schuldnerinnen und Schuldner in der sog. Wohlverhaltensphase stärker zur Herausgabe von erlangtem Vermögen herangezogen.2 Außerdem wird ein neuer Grund zur Versagung der Restschuldbefreiung geschaffen, wenn in der Wohlverhaltensphase unangemessene Verbindlichkeiten begründet werden3.

Die Verfahrensverkürzung soll für Verbraucherinnen und Verbraucher zunächst bis zum 30. Juni 2025 befristet werden, (mehr …)

Ex-BGH-Richter Pape fordert schnelles Inkrafttreten eines 3jährigen Restschuldbefreiungsverfahrens

Richter am Bundesgerichtshof a.D. Professor Dr. Gerhard Pape stellt in seinem Aufsatz “Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens – Plädoyer für ein schnelles Inkrafttreten” in der aktuellen ZInsO 2020, 1347 klar:

Die Begründung des Entwurfs weist das aus der Mottenkiste (…) stammende ordnungspolitische Argument, eine Verkürzung des Verfahrens gehe mit der Gefahr einher, dass Verbraucherinnen und Verbraucher zu einer “sorgenbefreiten” oder gar missbräuchlichen Überschuldung verleitet werden (…) mit Recht zurück. Dieses Argument ist durch die inzwischen mehr als zwanziggjährige Anwendungszeit der InsO widerlegt. Eine frivole Schuldenmacherei im Hinblick auf die Möglichkeit der Restschuldbefreiung hat es nie gegeben.

Dies ist umso wichtiger, als dass Punkt 9 des Eckpunktepapiers des Konjunkturpakets (dazu unsere Meldung vom 8.6.2020) immer noch Misstrauen atmet (“Maßnahmen zur Missbrauchsvermeidung”, Evaluation des Antragsverhaltens der Schuldner “auch im Hinblick auf etwaige negative Auswirkungen auf das Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten”). (mehr …)

Der „vereinfachte Zugang“ zur Grundsicherung nach SGB II wird verlängert – (vorerst) bis zum 30. September 2020

Hier der Hinweis auf den Beitrag von Stefan Sell zur “Vereinfachter-Zugang-Verlängerungsverordnung – VZVV”. Mit der Verordnung zur Verlängerung des Zeitraums für das vereinfachte Verfahren für den Zugang zu den Grundsicherungssystemen und für Bedarfe für Mittagsverpflegung aus Anlass der COVID-19-Pandemie werden die vom Gesetzgeber in den Sozialschutzpaketen I und II im SGB II, SGB XII und BVG getroffenen Sonderregelungen bis zum 30. September 2020 verlängert (vgl. BMAS)

Bundesrat schlägt weitergehende Verschärfungen des “Inkassogesetzes” vor

Letzten Freitag (5.6.2020) hat der Bundesrat zum RegE eines “Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften” Stellung genommen – siehe BR-Drucksache 196/20 (B). Es wird vorgeschlagen:

  1. Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Verpflichtung von Inkassodienstleistern zum Hinweis auf Umstände, bei denen der Verdacht eines Identitätsdiebstahls besteht, weiter gefasst werden könnte und auch Fälle einbezogen werden könnten, bei denen die Anschrift des Schuldners nicht gesondert ermittelt werden musste.
  2. “Der Inkassodienstleister hat außerdem, wenn Inkassokosten geltend gemacht werden, einer Privatperson auf Anfrage einen Nachweis der mit dem Gläubiger getroffenen Vergütungsvereinbarung zu übermitteln.”
  3. (mehr …)