Bitcoins – der öffentlich geförderte Wettbetrug

Der Bitcoin-Hype

ARD, NDR und Süddeutsche Zeitung glänzen mit Jubelbeiträgen zu Bitcoins, die sie als (Krypto-) Währung bezeichnen und als fälschungs- und inflationssicheres staatsfreies Bürger-Geld der Zukunft preisen. Es reduziere zudem die ungeliebte Macht der Banken. Dazu wurden irrelevante Ereignisse wie die Zulassung von Wetten (Futures) auf den Bitcoin-Kurs an der US-amerikanischen CME-Börse in eine Anerkennung der Bitcoins als Währung umgedeutet. Dies hat zu einem deutlichen Anstieg des Kurswertes dieses leeren Betrugspapieres geführt.

Was ist ein Bitcoin?

Eine Wette. Man wettet auf den Kurs einer exklusiven Computerinformation, die weitergegeben werden kann.  Ihr Kurs bestimmt sich durch die Nachfrage, die sich dafür generieren lässt. Wollen viele diese Information haben, dann steigt der Kurs. Mitte Dezember 2017 lag er bei $18.500. Wollen viele die Bitcoins loswerden, dann sinkt er ein Woche später auf $13.900. Diejenigen, die es gekauft hatten, als diese Information hoch stand und sie dann angstvoll verkauften, als der Kurs fiel, wurden beraubt. Das Geld ist nicht weg, sondern nur in anderen Händen.

Ist Bitcoin Geld?

Nein. Geld ist zwar selber ein wertloser Gegenstand, der Wert nur repräsentiert. Doch es leiht sich seinen Wert von der Schuld bzw. dem Schuldner, der hinter dem Geld stehen muss. Geld kann langfristig nur zirkulieren, wenn es dafür einen guten Schuldner gibt und die Schuld staatlich anerkannt ist. Sie muss daher rechtlich gesehen einer eintreibbaren Forderung zugeordnet sein. Bei der Banknote ist die EZB der Schuldner, bei den Münzen der Staat, beim Kontoguthaben die Bank. Die Bank wiederum ist über die Ausfallfonds mit anderen Banken verbunden. Letztlich haften auch für sie wie die Krise gezeigt hat, Staat und Steuerzahler.  Bitcoin ist dagegen eine Forderung ohne Schuldner. Das aber kann nur eine Wette sein.

Was macht Bitcoins kaufkräftig?

Missbrauchtes Vertrauen. Wer Geld als Bezahlung akzeptiert weiß oder glaubt, dass man sich für diese Forderung etwas kaufen kann. Sinn des Geldes ist die Kaufkraft. Der ursprüngliche Schuldner, der allein den Wert des Geldes ausmacht, wenn es keine Akzeptanten mehr findet, tritt in den Hintergrund. Beim bitcoin findet man es nicht einmal anstößig, dass es so einen Schuldner wie beim 10-Euro-Schein (die EZB) ganz offiziell nicht gibt. Man will Geld doch sofort oder (mit Ansparen) morgen zum Einkauf verwenden. Gibt es genug Akzeptanten, so kann man den ursprünglichen Schuldner leicht vergessen, (allerdings nur bis der Kursverfall den Dornröschenschlaf beendet). Geld ist eine zirkulationsfähige Forderung bzw. Schuld.

Wer schafft die Zirkulationsfähigkeit?

Der GeldscheinEs gibt Geld, dessen Wert über jeden Zweifel erhaben ist. Wir nehmen dies für Banknoten in Euro, Dollar oder Yen an. Trotz 2008 vertrauen wir auch Bankguthaben. Weil aber der Nutzer nicht wissen kann, ob das Geld tatsächlich werthaltig ist, kommt es nur auf seinen Eindruck an. Er kann nur glauben, dass das Geld werthaltig ist. Es ist also der Glauben an das Geld, der es zirkulationsfähig macht. Wie das Geld (er)scheint ist auf kurze Sicht wichtiger als was es ist. Deshalb haben die, die Geld in Umlauf gebracht haben (Emittenten), immer versucht, dem Geld einen werthaltigen Eindruck (Verbriefung) zu verleihen. Gold, Silber und Kupfer waren solche Verkleidungen ebenso wie der Kopf des römischen Kaisers auf der Münze, das Bild der Queen auf der Banknote oder das Schuldanerkenntnis der US-Zentralbank auf der Dollarnote. Sie geben einen äußeren Geldschein, bei dem der Glauben an das Geld wichtiger als sein wirklicher Wert wird.

Können auch wertlose Forderungen zirkulieren?

Ja, aber nicht lange. Man holt sich beim Arbeitgeber nicht deshalb den Lohn in Geld ab, um vom ihm irgendwann wieder Arbeit oder Waren zurückzuerhalten. Man verlangt den Lohn, weil man damit woanders eintauschen kann. Das eigene Vertrauen muss nur für diesen Zeitraum reichen. Solange mir das Geld andere abnehmen, habe ich das geschafft, was ich wollte. Die Geschichte des Geldes ist voll von Beispielen, wie Wertschein erzeugt wurde, als dem Geld schon keine wertvolle Schuld (mehr) zugrunde lag. Bei wertlosem Geld kann man nämlich bedrucktes Papier oder wertlose Münzen durch Wertaufdruck gegen wertvolle Waren eintauschen. Das nennt man Betrug, Falschgeld, Inflation. Darauf reagierte der Staat mit Einziehung, Münzverufung, Währungsreform oder Lehmann-Konkurs. Doch vorher hat man sich entweder den Schein werthaltigen Geldes (Falschgeld) verschafft oder mehr Geldausdrücke produziert, als Werte vorhanden waren. (Inflation)  Falschmünzerei und mit der Notenpresse finanzierte Staatsausgaben gibt es solange es Geld gibt.  Verbriefte Kredite ohne zahlungskräftige Schuldner oder als Wertpapier getarnte Wetten sind die moderne Form der Falschmünzerei.

Was verschafft Bitcoin Geldvertrauen?

Der irregeleitete Geldglaube der Menschen. Wer Bitcoins als Geld bezeichnet verwechselt den Wert des Geldes, die verbriefte Schuld, mit seinem Marktwert, dem Preis. Wertlose Forderungen gelten dann als sicher, wenn sie fälschungssicher sind. Dass sie schwerer als das Guthaben auf dem Girokonto gefälscht werden können, stimmt. Praktisch schafft dies die Blockchain-Technolgie. Jede Überweisung wird mit Millionen kopierten Informationen abgesichert. Das ist besser als PIN und TAN aber unknackbar ist das auch nicht. Außerdem hat diese Technologie scheinbar eine Inflationsbremse. Die Anzahl der bitcoins pro System ist begrenzt und die Herstellung aufwändig. (mining), allerdings nicht die Anzahl der Systeme. Das erinnert an das alte  Goldgeld.

Doch löst es damit unsere Probleme heute? Inflation und Falschbuchungen sind irrelevant. Bedrohlich aber ist die zunehmende Zirkulation von Geld ohne Wert. Wetten und uneinbringliche Kreditforderungen (SubprimeKrise) nehmen dramatisch zu und werden aus kurzfristigem Profitstreben immer mehr als Geldvertreter akzeptiert.  Eine neue vollkommen wertlose Wette wie die bitcoins brauchen wir deshalb nicht. Die blockchain Technologie könnte dagegen für die staatlich anerkannten Forderungen interessant sein.

Ist der Bitcoin staatsfrei?

Ja, er ist sogar vogelfrei. Weil der Staat weder die Forderung, noch die Eintauschbarkeit und auch nicht die Schuld garantiert, ist der Bitcoin wie bei allen Schneeballsystemen nicht mehr als eine Wette auf sich selbst.

Wer nutzt ihn?

Zocker und Kriminelle. Die wichtigsten Nutzer von Bitcoins sind Kriminelle, Pornoproduzenten, Erpresser und Kapitalflüchtige. Für sie wurden die Bitcoins gemacht. Weil sie trotz Millionen gespeicherter absurder Informationen pro Einheit die wichtigste Information weglassen, nämlich woher der Bitcoin kommt, sind sie das ideale Mittel für Geldwäsche. Warum die Aufsicht sie in ihrer Warnung als (Krypto)Währung bezeichnet und als Geld anerkennt, die Geldvorschriften aber auf sie nicht anwendet, ist ein Rätsel. Dass dagegen Wetten auf deren Kurs zugelassen werden ist nichts Besonders. Man darf leider auf jeden Unsinn und auf sich selber (Future auf Future) wetten.

Warum dieser Hype in Presse, Finanzaufsicht und Politik?

Ich weiß es nicht. Ist es Dummheit (jugendliche Bitcoin-Programmierer, der Kanzleramtsminister im Weihnachtsinterview, Franziska Augstein im SZ-Kommentar), Kalkül (Kapitalflüchtlinge in China, Wettbüros der Großbanken und Börsen, Pornoindustrie zum Schutz von Nutzern), Sehnsucht nach einer staatsfreien Gesellschaft, (Neo-Liberale und Grüne) u.s.w.?

Wahrscheinlich geht es um Grundsätzlicheres. Der Glaube an den Eigenwert des Geldes hält den Kapitalismus aufrecht. Für Geld kann man alles fordern, bekommen und erreichen. Wer daran nicht glaubt, stellt das System infrage. Deshalb soll keiner darüber nachdenken, dass das Geld nur eine staatlich anerkannte Forderung ist. Man schwafelt vom Privatgeld der Banken, glaubt, sie würden forderungsfreies Geld schöpfen können oder Alternativgeld in kleinen Gemeinschaften bräuchten keine Schuldner.

Die Finanzkrisen haben deutlich gemacht, dass wir an einem Wendepunkt sind. Wir müssen wieter an das Geld glauben, sonst kann die Wirtschaft  nicht funktionieren. Doch wo sie nicht mehr funktioniert gerade weil wir an das Geld glauben, dort lohnt sich die Aufklärung. Der Bitcoin wäre eine Chance doch die wird zur Zeit bei Banken, Aufsicht, Politik und Presse gründlich vertan.

(Mehr dazu in Reifner, Das Geld 1, 2017)

370.000 Berliner sind überschuldet

Der Tagesspiegel berichtet über den Überschuldungsreport , Dirk Ulbricht: „Mehr Aufklärung allein reicht allerdings nicht, meint Dirk Ulbricht, Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen (IFF) in Hamburg. Seiner Ansicht nach müsste man auch das Insolvenzrecht reformieren. Den Versuch der Politik, Überschuldeten schneller einen Neuanfang zu ermöglichen, hält er für gescheitert.“ Der Ganze Artikel findet sich online hier Link.

Überschuldungsreport 2017 – Überschuldete bleiben übermäßig lang im Schuldturm

Überschuldete sind selten an ihrer Situation wirklich schuld. Dennoch werden sie gesellschaftlich ausgegrenzt und durch eine sechsjährige Wohlverhaltensphase übermäßig lange bestraft. Die Bundesregierung wollte das ändern und hat dazu eine Insolvenzrechtsreform beschlossen. Wir haben uns das Ergebnis mit Hilfe der Beratungsdaten angesehen und festgestellt: Die Reform war ein Flop, nur ein vernachlässigbarer Bruchteil der Überschuldeten, die sich überhaupt noch für eine Verbraucherinsolvenz entscheiden, nimmt sie überhaupt in Anspruch. Zeit, sich endlich den international üblichen Regelungen anzunähern. Kaum ein Land leistet es sich, seine überschuldeten Bürger derart lange von einer normalen wirtschaftlichen Teilhabe auszuschließen. Und, eine unvernünftige Ausgrenzung Betroffener ist nicht sachgerecht, und trägt zum wirtschaftlichen Auseinanderdriften der Gesellschaft bei.

Verbraucher, die überschuldet sind, und sich mit Hilfe einer Verbraucherinsolvenz von ihren Schulden befreien möchten, mussten sich bis zur Insolvenzrechtsreform 2014 sechs Jahre lang in einer sogenannten Wohlverhaltensphase darum bemühen, ihren Gläubigern so viel wie möglich zurückzuzahlen. Der damit einhergehende Verzicht auf viele Dinge, die das Leben angenehm machen, wirkt dabei durchaus abschreckend. Zudem kommt, dass Überschuldung weiterhin mit sozialer Stigmatisierung einhergeht. Nach wie vor wird Überschuldung mit persönlichem Fehlverhalten, insbesondere ungezügeltem Konsumrausch, in Verbindung gebracht. Wie aber die Ergebnisse des Überschuldungsreports zeigen, sind Überschuldete häufig vor allem aufgrund von Lebenskrisen, wie Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Scheidung in ihre Lage geraten. Der Gesetzgeber muss selbstverständlich auch die Interessen der Gläubiger angemessen berücksichtigen, Schulden dürfen nicht zu bloßen Obliegenheiten werden, die man zahlen kann oder eben auch nicht, ohne dass Konsequenzen drohten.

Dennoch schien die Insolvenzrechtsreform prinzipiell ein Schritt in die richtige Richtung. Der Koalitionsvertrag 2010 sah vor, die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs auf drei Jahre zu halbieren. Die damalige Justizministerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger wollte den wirtschaftlich in eine Schieflage geratenen, schneller einen „fresh start“ ermöglichen. Die Insolvenzrechtsreform sieht vor Schuldnern, die zumindest die Verfahrenskosten aufbringen können, ein Jahr, und darüber hinaus Schuldnern, die auch 35 Prozent der Forderungen begleichen können, weitere zwei Jahre dieser Wohlverhaltensphase zu erlassen.

Das aber, obwohl gut gemeint, ist bei genauerem Hinsehen nicht geeignet, effektiv Wohlverhaltensphasen zu verkürzen. Verfahrenskosten sind teuer. Zusammen mit der 35 Prozentquote können sich die dann notwendigen Mittel leicht auf bis zu drei Viertel der ursprünglichen Hauptforderung addieren. In dieser Situation dürften sich viele Gläubiger auch schon vor der Insolvenzrechtsreform dazu entschieden haben, im Rahmen des verpflichtend durchzuführenden außergerichtlichen Einigungsverfahrens, eine Lösung zu finden. Dann nämlich fallen keine Gerichtskosten an und sie erhalten mehr von ihren Forderungen zurück. Offizielle Zahlen zur Inanspruchnahme der Verkürzungsmöglichkeiten gibt es noch nicht. Die ersten, die auf drei Jahren verkürzen konnten, hätten das am 1.7.2017 abschließen können. Dennoch war auch schon vorher aus Schuldnerberaterkreisen zu hören, dass die Insolvenzrechtsreform nicht wirklich Früchte trägt.

Wie wenig Sinn sie allerdings macht, das zeigen nun erstmals im diesjährigen Überschuldungsbericht vorliegende, indirekte Indikatoren. Möchte ein Ratsuchender eine Verkürzung in Anspruch nehmen, dann muss die grundsätzliche Durchführbarkeit berechnet werden. Das ist in den hier vorliegenden Daten nachweisbar. Es zeigt sich, dass lediglich bei 2,6 Prozent der Ratsuchenden, die 2016 ein Insolvenzverfahren begonnen haben, eine entsprechende Berechnung durchgeführt worden war. Lediglich vier Promille haben eine Halbierung der Wohlverhaltensphase ins Auge gefasst.

Der dieses Jahr erschienene Armutsbericht hat klargemacht: Die wirtschaftlich bereits seit mehreren Jahren florierende deutsche Gesellschaft hat eine nicht zu unterschätzende Zahl an Menschen wirtschaftlich abgehängt. Wer auf Kante lebt und nur von Tag zu Tag denken kann, der kann sich nicht mit voller Energie in die Wirtschaft und Gesellschaft einbringen – der private Konsum, auf dem der aktuelle Aufschwung beruht. Schlimmer noch, die Spaltung verfestigt sich. Wie die Forschung zeigt, schaffen auch die Kinder der Armen selten den sozialen Aufstieg.

Überschuldung ist dabei ein wesentliches Element dieser Spaltung – allein im letzten Jahr ist die Zahl der überschuldeten Erwachsenen erneut um mehr als 100.000 Menschen auf nunmehr 6,85 Millionen angestiegen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die gerade in Gründung befindliche Regierungskoalition sich dieses Themas noch einmal wirkungsvoller annimmt. Trotz dieser wachsenden Zahl an Überschuldeten, nehmen schließlich auch die Insolvenzverfahren stetig ab. Das derzeitige Insolvenzverfahren macht scheinbar immer weniger Sinn, egal in welcher Variante.

 

Finanzielle Bildung in Europa

Ein zentraler Grundsatz für seriöse finanzielle Bildung ist der Beutelsbacher Konsens, wie ihn die Kultusministerkonferenz vorgibt:

Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.“

Doch nach Kontroversen wie zwischen öffentlicher und privater Rente sucht man in vielen Angeboten für finanzielle Bildung noch vergeblich. Zugleich sind andere Themen wie Zinsrechnung ohnehin schon lange Kernbestandteil des Mathematikunterrichts in der Sekundarstufe I. – Was aber tut sich sonst in finanzieller Bildung in Europa? Und: Was macht das iff in finanzieller Bildung für Geflüchtete? Link zu ausgewählten Beispielen.

Standpunkte der Parteien zum Wucher

Der Wucher ist zurück – Positionen der Parteien vor der Bundestagswahl 2017

Wer arm ist, dessen Notlage wird immer häufiger von Finanzdienstleistern ausgenutzt. Das iff hat im Vorfeld der Bundestagswahl die Positionen der Parteien dazu eingeholt. 

Wir haben im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 die CDU/CSU, SPD, B90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE, FDP und AfD zu ihren Positionen zu Wucher befragt. Hier finden sich die eingegangenen Antworten.

Wir haben auch selber Antworten gegeben, mit denen Sie die Standpunkte der Parteien vergleichen können. Zufrieden sind wir nämlich nicht. Wenn es beim Wucher darum geht, ob man die geschilderten Prozesse sieht, ob man sie als Problem ansieht, ob es für das Problem eine spezifische Lösung gibt, so sind wir eigentlich von allen Parteien enttäuscht. Eine Partei kennt die Prozesse nicht, eine findet, das muss so sein, eine weitere will das Problem durch die Verbraucher lösen lassen, eine andere Lösungen, die so grundlegend sind, dass sie kaum Chancen haben und schließlich meint eine Partei sogar, dass, wenn man die Betroffenen außer Landes bringt, das Problem gelöst sei. Es steht also nicht gut mit dem Wucher. 

Wer arm ist, dessen Notlage wird immer häufiger von Finanzdienstleistern ausgenutzt: Kreditzinsen inklusive Provisionen für Zusatzgeschäfte stehen in keinem Verhältnis zu der dafür erbrachten Leistung, die Notlage von Migranten wird bei Überweisungen an die Familien ausgenutzt. 

Wucherkampagne 

Das gemeinnützige institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff) setzt sich bereits seit drei Jahrzehnten wissenschaftlich mit Fragen zum Zugang zu Finanzdienstleistungen unter anderem im Auftrag verschiedener Bundesministerien, der Europäischen Kommission und des Parlaments und der Verbraucherverbände auseinander. Vor kurzem hat das iff ein Manifest gegen den Wucher veröffentlicht und wird sich im Rahmen einer Kampagne mit Verbraucherschutzorganisationen gegen den gesetzlich verbotenen Wucher einsetzen. 

Hintergrund

Wucher tritt in der Finanzdienstleistungsbranche mittlerweile recht häufig auf. Er trifft insbesondere einkommensschwache Haushalte, die an der Schwelle zur Überschuldung stehen (Schwellenhaushalte) und Migranten. Diese Gruppe kann sich in der Regel nicht adäquat zur Wehr setzen. Im Kreditbereich ist der gesetzlich verbotene Wucher systemisch aufgebaut. Der einzelne Kredit sieht oft gut aus, der Wucher steckt in seiner Abfolge und Zusatzprodukten wie Restschuldversicherungen. Grundlage ist die Aneinanderreihung einzelner Kreditverträge. Kann ein Verbraucher einen Kredit nicht mehr bedienen oder braucht er dringend Zusatzkredit, so muss er sich an seinen bisherigen Kreditgeber wenden. Schuldet er zwei Kreditraten, darf die Bank den Kreditvertrag kündigen. Dadurch wird die gesamte geschuldete Restsumme auf einen Schlag fällig. Im Angesicht einer aussichtslosen Überschuldung macht die Bank dem Verbraucher also ein Umschuldungsangebot, das dieser praktisch nicht ablehnen kann – zu wucherischen Konditionen. Die Bank kann bei jeder Umschuldung einen neuen Zinssatz, neue Produkte, Raten etc. anbieten. Der Verbraucher wird alles akzeptieren, weil es keine Alternative gibt. Besonders perfide ist die Restschuldversicherung. Die Bank zwingt dem Verbraucher Versicherungen, häufig Lebensversicherungen, auf, die die Rückführung seines Kredites sicherstellen sollen. Diese Versicherungen sind im Vergleich übermäßig teuer und sind auf die Bedürfnisse der Bank zugeschnitten. Umso öfter umgeschuldet wird, umso höher ist die Rendite aus der Restschuldversicherung. Zum systemischen Wucher gehört auch, den zahlungsunfähigen oder -unwilligen Verbrauchern die Kosten für das Inkasso aufzubürden. 

Antworten des iff

1. Halten Sie die Mehrbelastung von geringeren Einkommensgruppen bei Bankgeschäften mit dem Hinweis auf deren angeblich geringere Kreditwürdigkeit für gerechtfertigt? („The Poor Pay More”)


Antwort:


Ungleichbehandlungen sind Diskriminierungen, die einer Begründung bedürfen. Ein statistischer Zusammenhang reicht hier ebenso wenig wie für die Frage, ob die Anzahl der überfliegenden Störche die Geburtenrate erhöhen. Genau damit argumentiert die Kreditwirtschaft. Es gibt keine Belege, dass Arme die schlechteren Zahler sind als Reiche. Über 90% der armen Kunden zahlen ihre Kredite voll zurück, obwohl ihnen bis zu acht Mal mehr Zinsen zur Kompensation ihrer Armut auferlegt werden. Es ist der Wucher, der die Armut befördert und nicht die Armut, die den Wucher legitimiert. Wir brauchen kein neues Gesetz, sondern nur eine Anwendung der bestehenden Vorschriften.
In der Marktwirtschaft haben Anbieter das Recht zur diskriminierenden Preisgestaltung aber nur mit zwei Einschränkungen: sie müssen die Belastung transparent machen und offenlegen (Effektivzinssatz und Tilgungsplan). Sie dürfen nach dem Wucherverbot die Not nur bis zur Grenze des Doppelten des Üblichen ausbeuten. Beides ignoriert die Praxis.
 


Anbieter haben auch das Recht zur diskriminierenden Preisgestaltung mit zwei Einschränkungen: sie müssen die Belastung transparent machen und offen legen (Effektivzinssatz und Tilgungsplan). Sie dürfen nach dem Wucherverbot die Not nur bis zur Grenze des Doppelten des Üblichen ausbeuten.  


2. Unterstützen sie eine Gesetzesinitiative, die bei der Wucherprüfung von Krediten alle Belastungen der Kreditnehmer aus zugleich abgeschlossenen anderen Verträgen wie insbesondere Versicherungsverträgen einbezieht?

Antwort:

So würde die Ersetzung der von der Finanzlobby eingefügten Ausnahme für Versicherungen in §6 Abs.4 Ziffr. 2 PAngV durch folgenden Passus ausreichen: 

Jetzige Fassung: „die keine Voraussetzung für Verbraucherdarlehensvergabe …”

Neue Fassung nach EU-Vorschlag 2002: „deren Abschluss nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der Kreditvergabe stehen”

 3. Werden sie die Praxis der Kettenumschuldungen eindämmen, durch die Zwangslage überschuldeter Personen zur Umschuldung in immer schlechtere Kreditkonditionen missbraucht wird?


Antwort:

Wer aus Kreditnot umschuldet hat keine Marktfreiheit. Er ist an den bisherigen Kreditgeber gebunden. Die Rechtsprechung verbietet es, aus der Not eines Kreditnehmers Vorteile zu erstreben. Dies  gilt vor allem für Umschuldungssysteme, bei denen sich statistisch nachweisen lässt, dass die Zwangslage bewusst herbeigeführt wird und die Konditionen ständig verschlechtert werden. Der strafrechtliche Wucherparagraph muss hier ausgedehnt werden auf systemischen Wucher. 

Jetzige Fassung: §291 StGB „1) Wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten”

Neue Fassung: „Wer die Notlage, die sich durch Überschuldung, Zwang … ergibt ausbeutet oder durch die Gestaltung von Absatz oder Produkten Systeme entwickelt, in diesen solche Zwangslagen entstehen, dass er sich …”  

4. Was werden sie tun, um die Belastung von Migranten bei Überweisung an ihre Familien zu Hause mit bis zu 20% des Betrages durch Gebühren zu verhindern?

Antwort:

Innerhalb des Euroraums dürfen Überweisungen nicht teurer sein als innerhalb Deutschlands. Warum aber sollen Banken dann bei 150 € Überweisung in die Türkei mehr als 20% der Summe als Gebühr einbehalten dürfen? Es geht nicht, dass Arbeitnehmer aus der Türkei so ausgebeutet werden, dass es sich für sie fast schon lohnt, sich an die wucherischen privaten Geldtransferfirmen zu wenden. 

Die BaFin muss die Überweisungsentgelte erfassen und überwachen. Wucher muss verhindert werden.  

5. Was werden sie tun, damit der Anteil der Schulden Überschuldeter der nicht in Darlehen besteht, die der Kunde nutzen konnte, sondern aus den darauf aufgeschlagenen Kosten, Gebühren, Zwangsvollstreckungskosten, Umschuldungverlusten und Verzugszinsen nicht weiter steigt?

Antwort:

Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt das Zinseszinsverbot, eine Deckelung von Verzugszinsen und das Prinzip, dass außergerichtliche Beitreibungskosten nur dann ersetzt verlangt werden können, wenn sie objektiv notwendig sind. Die Bundesregierung hat diese Prinzipien aufgeweicht. Durch Umschuldungen kann man Zinsen in Kapital verwandeln und darauf Zinsen nehmen. Verzichtet man bei Überschuldeten auf Kreditkündigung, so kann man die Verzugszinsdeckelung umgehen. Schaltet man einen Anwalt ein, so gilt dies immer als notwendig, auch wenn die Anwaltsbüros nichts anderes als ausgelagerte Abteilungen sind. 

Auch hier wird geltendes Recht nicht angewandt.

Die BaFin ist neuerdings für die kollektiven Belange der Verbraucher zuständig. Sie macht hier nichts, legt keine Rechenschaft ab und versteckt sich hinter den Zivilgerichten. Sie sollte verpflichtet werden, alle diese Missstände zu beobachten und darüber jährlich an die Öffentlichkeit berichten. 

Für die Armen fehlt es nicht an Recht, sondern an Rechtsdurchsetzung.


 

Die Stellungnahme des iff auf die Konsultation der High Level Expert Group für Nachhaltige Finanzen

Antwort des iff auf die Fragen der High Level Expert Group zu dem Zwischenbericht Nachhaltige Finanzprodukte

Die EU hat sich an die interessierte Öffentlichkeit gewandt und um Rückmeldungen zum Zwischenbericht nachhaltige Finanzprodukte erbeten (Link). Sie will mit ihrer Initiative nachhaltige Investitionen fördern, wobei Nachhaltigkeit neben der Umwelt auch soziale Aspekte und Aspekte guter Regierungsführung beinhaltet.

Das iff unterstützt diese Initiative ausdrücklich. Die Stellungnahme des iff finden sich hier: Link.