Nationale Armutskonferenz zu Bürgergeld: Klare Neuregelungen und Beteiligung statt sanfte Worte!

PM der nak: Auf ihrer halbjährlichen Delegiertenversammlung in Köln hat die Nationale Armutskonferenz (nak) einen konsequenten und beteiligungsorientierten Neustart mit dem Bürgergeld eingefordert. In der Nationalen Armutskonferenz vernetzen sich Wohlfahrts-, Sozial- und Fachverbände der Sozialen Arbeit, Gewerkschaften und Initiativen aus der Selbstorganisation von Menschen mit Armutserfahrung.

„Das Bürgergeld muss einen konsequenten Bruch mit dem autoritären Hartz-IV-System vollziehen“, so Jürgen Schneider, Mitglied des Koordinierungskreises der nak und selbst leistungsberechtigt in der Grundsicherung. „Im Koalitionsvertrag stehen sanfte Worte wie „Soft Skills“ und „Augenhöhe“. Es ist völlig unklar, was das bedeuten soll. Nötig sind klare Neuregelungen, die das Machtgefälle in den Jobcentern auflösen.“

Für die Leistungsbeziehenden sei Ohnmacht im Umgang mit den Behörden eine alltägliche Erfahrung. (mehr …)

Bundesverfassungsgericht: Ablehnung von Beratungshilfe für sozialrechtliches Widerspruchsverfahren verfassungswidrig

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 45/2022 vom 24. Mai 2022 zum Beschluss vom 04. April 2022 – 1 BvR 1370/21: Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Ablehnung von Beratungshilfe für ein sozialrechtliches Widerspruchsverfahren verfassungswidrig war. Der Antrag des Beschwerdeführers auf die Bewilligung von Beratungshilfe wurde vom zuständigen Amtsgericht in mehreren Entscheidungen wegen Mutwilligkeit abgelehnt.

Sachverhalt: Der Beschwerdeführer bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheiden aus dem April 2021 wurde die Leistungsbewilligung des Beschwerdeführers für den Zeitraum Juli bis Dezember 2020 endgültig festgesetzt und daneben eine Erstattungsforderung geltend gemacht. Grund für die Erstattungsforderung war unter anderem eine vom Jobcenter festgestellte Überzahlung aufgrund eines Betriebskostenguthabens aus dem Jahr 2019, welches vom Jobcenter in dem Zeitraum Juni bis November 2020 anteilig leistungsmindernd berücksichtigt wurde.

Der Beschwerdeführer beantragte beim Amtsgericht die Bewilligung von Beratungshilfe. Er zweifelte an der Richtigkeit der Bescheide und wollte für die Gestaltung des Widerspruchs anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. (mehr …)

Jobcenter verhängten im vergangenen Jahr 193.729 Sanktionen (+ 22.618 mehr als in 2020)

Pressemitteilung der Bundesagentur: “Die Jobcenter mussten im vergangenen Jahr 193.729 Sanktionen gegen erwerbsfähige Leistungsberechtigte aussprechen, 22.618 mehr als im Jahr 2020. Die Zahl der Leistungsminderungen liegt aber weiterhin erheblich unter dem Niveau vor der Pandemie. Im Jahr 2019 wurden noch 806.811 Minderungen ausgesprochen.

Der Rückgang gegenüber dem Jahr 2019 resultiert vor allem aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019 und den Folgen der Pandemie. Einerseits wurde der Arbeitsmarkt zeitweise sehr belastet und die Zahl an Vermittlungsvorschlägen und Qualifizierungen sank. Andererseits gab es durch die Schutzverordnungen mehr telefonische und weniger persönliche Beratungen. Telefonische Beratungstermine werden ohne Rechtsfolgen verschickt, ein mögliches Versäumnis bleibt dann folgenfrei. Deswegen sank der Anteil der Minderungen für Terminversäumnisse, der sonst stets bei 75 Prozent liegt, auf rund 52 Prozent. (…)”

Birgit Knaus: Schulden von Minderjährigen bei der Bundesagentur für Arbeit

Hier der Hinweis auf den Beitrag “Schulden von Minderjährigen bei der Bundesagentur für Arbeit” von Birgit Knaus unter https://www.infodienst-schuldnerberatung.de/minderjaehrigen-schulden-ba/.

Siehe auch Bundesagentur für Arbeit hat gegenüber 517.669 Minderjährigen offene Forderungen mit einem Gesamtbetrag von 173.671.919 Euro und Zur Beschränkung der Minderjährigenhaftung (§ 1629a BGB) bei ALG II-Rückforderungen – Teil 2: Spontanberatung + Verschulden.

Widerspruchsbelehrung muss auf elektronische Einlegungsmöglichkeit hinweisen

RA Helge Hildebrandt weist auf Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 06.05.2021, L 6 AS 64/21 B ER hin.

Die Rechtsbehelfsbelehrungen in den Bescheiden der Jobcenter sind unvollständig, wenn in diesen – wie derzeit noch üblich – nicht auch über die Möglichkeit belehrt wird, den Widerspruch auch selbst auf elektronischem Wege einlegen zu können – und nicht nur über einen Rechtsanwalt. Aufgrund einer solchen Unrichtigkeit kann der Widerspruch anstatt innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 SGG noch innerhalb der Frist von einem Jahr erhoben werden.

Quelle und mehr: HEMPELS – siehe auch die akutellen BAG-SB-Informationen (Heft 3_2021, Seite 140).

Neue fachliche Weisung BA: “Klarstellung, dass nur bereite Mittel bedarfsmindernd als Einkommen berücksichtigt werden können”

Die BA Arbeit hat eine neue fachliche Weisung zu § 9 SGB II herausgegeben. Bedeutsam ist die Rz. 9.7 welche in der Übersicht wie folgt zusammengefasst wird: “Es erfolgte eine Klarstellung, dass nur bereite Mittel bedarfsmindernd als Einkommen berücksichtigt werden können. Auf die Verwendung des Begriffes „fiktives Einkommen“
wird zukünftig verzichtet.”

Inhaltlich ist das ein alter Hut. Hoffen wir, dass die Jobcenter-Praxis dies nun auch umsetzen wird.

Neue fachliche Weisung BA: “Klarstellung, dass nur bereite Mittel bedarfsmindernd als Einkommen berücksichtigt werden können”

Die BA Arbeit hat eine neue fachliche Weisung zu § 9 SGB II herausgegeben. Bedeutsam ist die Rz. 9.7 welche in der Übersicht wie folgt zusammengefasst wird: “Es erfolgte eine Klarstellung, dass nur bereite Mittel bedarfsmindernd als Einkommen berücksichtigt werden können. Auf die Verwendung des Begriffes „fiktives Einkommen“
wird zukünftig verzichtet.”

Inhaltlich ist das ein alter Hut. Hoffen wir, dass die Jobcenter-Praxis dies nun auch umsetzen wird.

Bundesagentur für Arbeit hat gegenüber 517.669 Minderjährigen offene Forderungen mit einem Gesamtbetrag von 173.671.919 Euro

Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Anette Kramme vom 9. August 2021 auf Frage 60 der MdB Judith Skudelny (FDP) in BT-Drs. 19/31996:

“Wie die Bundesagentur für Arbeit mitteilt, hat sie gegenüber 517.669 Minderjährigen offene Forderungen mit einem Gesamtbetrag von 173.671.919 Euro (Stand: 3. August 2021). Dabei handelt es sich um Forderungen aus den Rechtskreisen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und des Bundeskindergeldgesetzes.”

Siehe auch Antwort 101 in BT-Drs. 19/28338: “Seit Januar 2021 werden volljährig Gewordene, denen gegenüber Rückforderungen bestehen, mit einem gesonderten Schreiben über die Möglichkeit der Beschränkung der Minderjährigenhaftung gemäß § 1629a BGB ausführlich und adressatengerecht informiert. (mehr …)

Weisung BA Arbeit zur Verjährung von Erstattungsforderungen gem. §§ 50, 52 SGB X

Am 1.6.2021 haben wir auf das BSG-Urteil, 4.3.2021, B 11 AL 5/20 R, hingewiesen (hier zur Meldung). Durch die Entscheidung  wurde die Revision gegen die Entscheidung LSG Baden-Württemberg – L 8 AL 3185/19, 26.06.2020 als unbegründet zurückgewiesen. Diese LSG-Entscheidung war auch Gegenstand des “Der praktischen Falls (10): Verjährungsfrist bei einem bestandskräftigen Erstattungsbescheid” und Lösungsvorschlag.

Nun hat die BA Arbeit dazu eine neue Weisung herausgegeben: “Nach einem aktuellen Urteil des BSG vom 04.03.2021 verjähren Erstattungsansprüche der BA nach § 50 SGB X, welche mit Erstattungsbescheiden nach § 50 Abs. 3 SGB X festgesetzt wurden, in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach § 50 Abs. 3 SGB X unanfechtbar geworden ist (§ 50 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Die bisherige Rechtsauffassung der BA für die genannten Fälle wird daher aufgegeben. Die Weisung enthält Übergangsregelungen, wie mit der neuen Rechtslage umzugehen ist. Weitere Regelungen folgen nach Auswertung der Urteilsgründe.”

IAB: “Schneller ist nicht immer besser: Sanktionen können sich längerfristig auf die Beschäftigungsqualität auswirken”

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) meldet: “Erwerbsfähige Leistungsberechtigte können sanktioniert werden, wenn sie gegen die ihnen obliegenden Pflichten verstoßen. Sanktionen können sich allerdings negativ auf die Qualität der aufgenommenen Beschäftigung auswirken und damit eine nachhaltige Erwerbsintegration erschweren. Eine neue IAB-Studie zeigt, dass solche Auswirkungen langfristig Bestand haben: Rund fünf Jahre nach der Sanktionierung ist die Beschäftigungsqualität bei Sanktionierten geringer als bei nicht Sanktionierten.” – Quelle und mehr