Thomé zur BGH-Entscheidung zur Rückforderung überzahlter Miete

Letzte Woche hatten wir auf BGH zur Rückforderung überzahlter Miete, wenn der Mieter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht, also Urteil vom 5. Juni 2024 – VIII ZR 150/23 hingewiesen.

Harald Thomé zu dieser BGH-Entscheidung in seinem Newsletter:

„Diese BGH-Entscheidung hat auch für vieles andere Konsequenzen. Z.B. wenn Jobcenter oder Sozialamt versehentlich die Miete auf das falsche Vermieterkonto überwiesen hat. Dann wird in der Realität oft gefordert, Betroffene sollten sich selbst drum kümmern und sich das falsch bezahlte Geld zurückzahlen lassen, leider könne derweilen die Miete für die aktuell bewohnte Wohnung nicht übernommen werden.

Diese Situation hat sich nun erledigt, denn wenn das Jobcenter selbstverschuldet an den falschen Vermieter zahlt, hat es trotzdem die Miete für die neue Wohnung zu zahlen und sich das Geld nunmehr selbst über den nach § 33  SGB II übergegangenen Anspruch zurückerstatten zu lassen.

Eine weitere klassische Fallsituation ist: JC zahlt trotz bekannter Trennung den Lebensunterhalt an den oder die vorherige BG-vorstehende und – empfangsberechtigte Person (nach § 38 SGB II). Auch hier wird in der Realität verlangt, dass Betroffene sich das Geld vom falschen Empfänger zurückholen sollten. Auch hier ist die BGH-Entscheidung klarstellend: Die antragstellende Person hat einen eigenen zu erfüllenden Anspruch. Rückforderungen wegen Überzahlungen gehen nach § 33 Abs. 1 SGB II auf das Amt über.“

BGH zur Rückforderung überzahlter Miete, wenn der Mieter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht

Der BGH hat vorgestern eine interessante Entscheidung getroffen. Der Wortlaut liegt noch nicht vor – aber die Pressemitteilung zu Urteil vom 5. Juni 2024 – VIII ZR 150/23. Daraus:

„Der Kläger war vom 1. September 2018 bis Ende Juni 2020 Mieter einer Wohnung der Beklagten in Berlin. Der Kläger, der zuvor in einer Flüchtlingsunterkunft gelebt hatte, bezog bereits während dieser Zeit Leistungen nach Maßgabe des SGB II. Den – neben einem Mitmieter – auf ihn entfallenden Teil der Miete für den Monat September 2018 entrichtete der Kläger noch selbst; für die Folgemonate übernahm das zuständige Jobcenter die Zahlung der Miete.

Der Kläger hat unter anderem geltend gemacht, die Miete sei sittenwidrig überhöht; zudem sei sie von Mitte September 2019 bis in den März 2020 hinein wegen eines Wasserschadens in vollem Umfang gemindert gewesen. (…)

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass (etwaige) Ansprüche auf Rückerstattung überzahlter Miete gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der geleisteten Aufwendungen auf den Sozialleistungsträger übergegangen sind.

EuGH zu Online-Bestellungen und der sog. Buttonlösung

Der EuGH hat am 30.5.2024, C-400/22, zur sog. Buttonlösung, vgl. § 312j BGB, entschieden:

Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments (…) ist dahin auszulegen, dass im Fall von über Webseiten geschlossenen Fernabsatzverträgen die dem Unternehmer obliegende Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich mit einer Zahlungsverpflichtung einverstanden ist, auch dann Anwendung findet, wenn der Verbraucher erst nach der Erfüllung einer weiteren Bedingung verpflichtet ist, dem Unternehmer die entgeltliche Gegenleistung zu zahlen.

Hintergrund ist ein Vorabentscheidungsersuchen des LG Berlin vom 2. Juni 2022, 67 S 259/21.

In Deutschland beauftragte der Mieter einer Wohnung, deren monatliche Miete über der vom nationalen Recht erlaubten Höchstgrenze lag, ein Unternehmen für Inkassodienstleistungen, von seinen Vermietern die zu viel gezahlten Mieten zurückzuverlangen. Er gab diese Bestellung über die Webseite dieses Dienstleisters auf. Vor dem Klicken auf den Bestell-Button setzte er ein Häkchen zur Zustimmung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

BGH: die vom Arbeitgeber gezahlte Inflationsausgleichsprämie ist Arbeitseinkommen und als solches pfändbar

BGH, Beschluss vom 25. April 2024 – IX ZB 55/23 – Leitsätze

1. Die vom Arbeitgeber gezahlte Inflationsausgleichsprämie ist Arbeitseinkommen und als solches pfändbar.

2. Die Prämie ist Teil des wiederkehrend zahlbaren Arbeitseinkommens.

Aus der Entscheidung:

„Bei der Inflationsausgleichsprämie handelt es sich um Arbeitseinkommen im Sinne von § 850 Abs. 1 ZPO, das nur nach Maßgabe der § 850a bis § 850i ZPO gepfändet werden kann. Arbeitseinkommen sind nach § 850 Abs. 2 ZPO unter anderem die Arbeits- und Dienstlöhne. Die Pfändung des in Geld zahlbaren Arbeitseinkommens erfasst nach § 850 Abs. 4 ZPO alle Vergütungen, die dem Schuldner aus der Arbeits- und Dienstleistung zustehen, ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart. (…) Die Inflationsausgleichsprämie ist keine aus öffentlichen Mitteln finanzierte staatliche Hilfsmaßnahme (…), sondern lediglich steuerlich und abgabenrechtlich begünstigt. (…)

Danach bemisst sich im Streitfall der Pfändungsschutz für die Inflationsausgleichsprämie nach den §§ 850a bis 850h ZPO, insbesondere nach § 850c ZPO. Die Prämie ist Teil des wiederkehrend zahlbaren Arbeitseinkommens (…)

OLG Frankfurt zur unzulässigen Drohung mit Rechtsanwalt bzw. zum Nachweis des Vertragsschlusses

Hier der Hinweis auf zwei lesenswerte Meldungen auf verbraucherzentrale.de (dort auch jeweils Links zu den Volltexten der Entscheidungen):

LG Limburg an der Lahn, Urteil vom 17.3.2023, Az. 5 O 12/22
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.4.2023, Az. 6 U 41/23, nicht rechtskräftig

Die Behauptung ein Vertrag wurde geschlossen und die Drohung mit Beauftragung eines Rechtsanwaltes ist unzulässig, sofern überhaupt kein Vertrag abgeschlossen wurde.

Es ist unzulässig und unlauter Verbraucher:innen zur Bezahlung nicht bestellter, aber gelieferter Waren oder erbrachter Dienstleistungen aufzufordern oder zur Rücksendung nicht bestellter Waren aufzufordern.

LG Limburg an der Lahn, Urteil vom 17.3.2023, 5 O 13/22
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.03.2024, Az. 6 U 42/23, nicht rechtskräftig

Im Rahmen von angeblichen „Qualitätskontrollen“ trägt das Unternehmen die Beweislast dafür, dass hierbei wirksam ein weiterer Vertrag abgeschlossen wurde.

Das Landgericht Limburg an der Lahn hat auf die mündliche Verhandlung vom 18.01.2023 unter dem Aktenzeichen 5 O 13/22 geurteilt, dass eine nicht erfolgte Rückbuchung einer Lastschrift keine Annahme eines Vertragsangebots darstellt.

BGH zur Anmeldung einer Forderung aus vorsätzlich begangener Unterhaltspflichtverletzung

Der BGH hat eine sehr bedeutsame Entscheidung zur Anmeldung einer Forderung aus vorsätzlich begangener Unterhaltspflichtverletzung gefällt, die zwar mühsam zu lesen ist, aber wohl Pflichtlektüre sein dürfte. Die Leitsätze von BGH, 21.03.2024 – IX ZB 56/22 lauten:

1a. Der Anmeldung eines Schadensersatzanspruchs wegen einer vorsätzlich begangenen Unterhaltspflichtverletzung muss der konkrete Zeitraum zu entnehmen sein, für den der Schuldner Unterhalt schuldet, dass und in welchem Umfang der Schuldner den geschuldeten Unterhalt nicht bezahlt hat und dass es sich aus Sicht des Gläubigers um ein vorsätzliches Delikt, beispielsweise eine Straftat handelt.

1b. Macht ein Gläubiger neben einer Insolvenzforderung zusätzlich einen auf die Insolvenzforderung bezogenen Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung aus einem anderen Streitgegenstand als dem der Insolvenzforderung geltend, erstreckt sich der Widerspruch des Schuldners gegen den Rechtsgrund im Zweifel auf die aus dem anderen Streitgegenstand angemeldete Forderung insgesamt.

2. Die durch eine Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren eingetretene Hemmung der Verjährung endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Insolvenzverfahrens durch Aufhebung oder Einstellung; auf die Entscheidung über eine Restschuldbefreiung kommt es nicht an.

Ergänzend zu Leitsatz 1a) Rz. 31f.: „Der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung muss dazu in der Anmeldung so beschrieben werden, dass der aus ihm hergeleitete Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt ist und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten ihm vorgeworfen wird (BGH, Urteil vom 9. Januar 2014 – IX ZR 103/13, WM 2014, 270 Rn. 8). Aus der Anmeldung muss daher klar hervorgehen, aus welchem Lebenssachverhalt sich der deliktische Charakter der Forderung ergibt.

LG Bamberg: Vorgehen bei Preiserhöhung in McFIT-Studios unzulässig

Wer das Drehkreuz am Eingang passierte, stimmte automatisch einer Preiserhöhung zu: Diese Geschäftspraxis hat das Landgericht (LG) Bamberg der RSG Group GmbH untersagt, die Fitnessstudios der Marke McFIT betreibt. Das LG sieht darin eine aggressive geschäftliche Handlung. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte gegen das Vorgehen des Unternehmens geklagt.

LG Bamberg, 15.03.2024, 13 O 730/22 – nicht rechtskräftig. Mehr unter: www.vzbv.de/urteile/urteil-vorgehen-bei-preiserhoehung-mcfit-studios-unzulaessig

Dort wird auch auf eine vergleichbare Entscheidung  bei einer Preiserhöhung durch das Fitnessstudio-Unternehmen clever fit gerichtlich stoppen. Auch hier sollten Mitglieder automatisch neuen Preisen zustimmen, indem sie das Drehkreuz am Studioeingang passierten. Das Urteil des Landgerichts Augsburg ist ebenfalls noch nicht rechtskräftig (Aktenzeichen 081 O 1161/23).

BGH zu den Voraussetzungen eines RSB-Versagungsantrages und der Erwerbsobliegenheit

Der BGH hat am 7. März 2024 – IX ZB 47/22 – einen lesenswerten Beschluss gefasst. Die Leitsätze lauten zum Versagungsantragsverfahren (§ 5 Abs. 1, § 290 Abs. 2 Satz 1 InsO):

a) Die Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts zu den Voraussetzungen eines Versagungstatbestandes greift erst ein, wenn der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zulässig ist.

b) Ein Versagungsantrag ist nur zulässig, wenn das Vorliegen eines Versagungsgrunds schlüssig dargelegt und erforderlichenfalls glaubhaft gemacht ist. Dabei ist ausschließlich der bis zum Schlusstermin gehaltene und glaubhaft gemachte Vortrag des Antragstellers zu berücksichtigen.

Im Fall ging es darum, ob die Erwerbsobliegenheit verletzt wurde. Dazu – also zu § 287b, § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO – gibt es folgenden Leitsatz:

Beträgt der Unterschied zwischen dem tatsächlich erzielten Einkommen und dem bei einem anderen Arbeitgeber erzielbaren Einkommen rund 3 % des Bruttoeinkommens und liegt der pfändbare Anteil aus dem Unterschiedsbetrag deutlich unter 100 €, führt allein dieser Gehaltsunterschied bei einem zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über 63 Jahre alten, in Vollzeit tätigen Schuldner nicht dazu, dass die vom Schuldner bereits ausgeübte Tätigkeit nicht mehr als angemessene Erwerbstätigkeit anzusehen ist.

Das Insolvenzgericht hat die Restschuldbefreiung versagt. Die hiergegen
erhobene sofortige Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Der BGH hat mit seinem Beschluss die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts aufgehoben und festgestellt, dass der Antrag des Gläubigers auf Versagung der Restschuldbefreiung unzulässig war.

OLG Karlsruhe zur Unterhaltsforderung als ausgenommener Forderung (§ 302 InsO)

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 04.01.2023 – 18 WF 181/22 sollte Schuldnerberater:innen bekannt sein. Das Gericht hat sich zur Frage, wie festgestellt wird, dass eine Unterhaltsforderung von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist (§ 302 InsO), wie folgt geäußert (Rn 31ff.):

„(…) Da der Unterhaltsanspruch rechtskräftig tituliert wurde, ist allein die Frage zu klären, ob der Antragsteller vorsätzlich pflichtwidrig den von ihm geschuldeten Unterhalt nicht gewährt hat. Denn anders als bis zum Inkrafttreten der Neufassung des § 302 InsO am 01.07.2014 ist Gegenstand des Insolvenzverfahrens und des vorliegenden Rechtsstreits nicht ein Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB, sondern die titulierte Unterhaltsforderung selbst und deren vorsätzlich pflichtwidrige Nichterfüllung.

Ergibt die insoweit notwendige Prüfung, dass der Antragsteller unverschuldet tatsächlich nicht in der Lage war, die verfahrensgegenständliche Forderung zu erfüllen, kann die unterbliebene Unterhaltszahlung nicht als vorsätzlich pflichtwidrig im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO bewertet werden (MüKo/Stephan, InsO, 4. Auflage 2020, § 302 Rn. 28).

Zur Beratungshilfe für die Durchführung eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch einen Rechtsanwalt

Hier der Hinweis auf den Beitrag „Zur Beratungshilfe für die Durchführung eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch einen Rechtsanwalt“ von Helge Hildebrandt.

Anlässlich einer aktuellen Entscheidung des Amtsgericht Kiel, Beschluss vom 20.03.2024, 7 XI 387/24, die auf der Seite heruntergeladen werden kann, werden grundsätzliche Hinweise zum Thema gegeben.

Siehe auch Wiebke Wilhelms Beitrag „Beratungshilfe für den außergerichtlichen Einigungsversuch“ unter InsbürO 2024, 76.