Diskussion um die Schutzgrenzen des § 67c Genossenschaftsgesetz (Kündigungsausschluss)

Vor über 10 Jahren wurde der § 67c GenG eingeführt. Demnach ist die Kündigung der Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft durch den Gläubiger oder den Insolvenzverwalter ausgeschlossen, wenn die Mitgliedschaft Voraussetzung für die Nutzung der Wohnung des Mitglieds ist und „das Geschäftsguthaben des Mitglieds höchstens das Vierfache des auf einen Monat entfallenden Nutzungsentgelts ohne die als Pauschale oder Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten oder höchstens 2.000 Euro beträgt“.

Diese Höchstgrenze ist nun in der Diskussion. Siehe Entwurf Gesetz zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform, https://dip.bundestag.de/vorgang/gesetz-zur-st%C3%A4rkung-der-genossenschaftlichen-rechtsform/317503

Die Bundesregierung plant, den Betrag von 2.000 Euro auf 3.000 Euro anzuheben, Bundestags-Drucksache 20/14501, Seite 50. Der Bundesrat hält dies für unzureichend und schlägt eine flexible Regelung vor, die darauf abstellt, wie viele „Pflichtanteile zur Anmietung als Inanspruchnahme einer genossenschaftlichen Leistung“ erforderlich sind, Seite 61:

„Diese Beträge werden durch die tatsächlich erforderlichen Pflichtanteile in den Wohnungsgenossenschaften in der Regel überschritten. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte bereits ausführlich dargelegt, dass die Betragsgrenzen zu niedrig sind und sehr viele Wohnungen nicht unter den Schutz der neuen Regelung fallen werden (vgl. BRDrucksache 467/12 (B), Seite 13 f.). Bei Wohnungen von einer für Familien angemessenen Größe dürften beide gesetzlichen Betragsgrenzen stets überschritten werden. Dies gilt heute erst recht. (…)

Bundestagswahl 2025: Was sagen die Parteien zum Thema (bezahlbares) Wohnen?

Der Paritätische hat eine Übersicht zum Thema erstellt. „Wohnen als ein drängendes Problem adressieren viele Parteien, doch über die Frage, mit welchen Maßnahmen mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen soll, darüber liefern die Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien sehr unterschiedliche Antworten. Hier werden die zentralen Vorhaben zum Thema Mieter*innenschutz, sozialer und gemeinnütziger Wohnungsbau, Wohnungslosigkeit und Baupolitik zusammengefasst.

Siehe www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/bundestagswahl-2025-was-sagen-die-parteien-zum-thema-bezahlbares-wohnen/

Zahl der Sozialwohnungen stark gesunken

Die Zahl der Sozialmietwohnungen ist in den vergangenen zehn Jahren stark zurückgegangen. Gab es im Jahr 2014 noch rund 1,46 Millionen Sozialmietwohnungen, so betrug deren Zahl Ende 2023 noch 1,07 Millionen. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (20/14409) auf eine Kleine Anfrage der Gruppe die Linke (20/13975) hervor.

Die Bundesregierung weist in der Antwort darauf hin, dass der Bestand an Sozialmietwohnungen 2023 im Vergleich zum Jahr 2022 um gut 14.000 Wohneinheiten abgenommen habe: „Das ist der geringste Rückgang seit der Bundesregierung die Daten vorliegen (2006).“ Im Jahr 2023 sei es darüber hinaus in sieben Ländern zu einem Anstieg beim Bestand an Sozialmietwohnungen gekommen. Die Ausgaben für Wohngeld sind in jüngster Zeit stark gestiegen. Wurden 2022 noch 1,6 Milliarden Euro ausgegeben, so stiegen die Aufgaben im Jahr 2023 auf 3,9 Milliarden Euro an.

Quelle: Bundestagsmeldung

Bundesregierung: in Deutschland leben insgesamt rund 531.600 wohnungslose Menschen

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen vorgelegten Wohnungslosenbericht 2024 beschlossen. Mit diesem wird nach 2022 zum zweiten Mal ein gesamtdeutscher Überblick über die Situation wohnungsloser Menschen vorgelegt. Der Bericht enthält Informationen und Analysen über Umfang und Struktur von Wohnungslosigkeit im Bundesgebiet.

Laut der Statistik und der empirischen Erhebung waren Ende Januar/Anfang Februar 2024 rund 439.500 Personen im System der Wohnungsnotfallhilfe untergebracht, weitere rund 60.400 Personen bei Angehörigen, Freunden oder Bekannten untergekommen (verdeckt wohnungslose Personen). Rund 47.300 Personen lebten auf der Straße oder in Behelfsunterkünften. Berücksichtigt man rund 15.600 Doppelerfassungen, leben in Deutschland damit insgesamt rund 531.600 wohnungslose Menschen. – Quelle und mehr: https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/Webs/BMWSB/DE/2025/01/Wohnungslosenbericht.html

Siehe dazu auch Bericht des Paritätischen, BAG Wohnungslosenhilfe sowie für Hamburg: https://www.hinzundkunzt.de/in-hamburg-leben-mindestens-3787-obdachlose/.

Mieterbund, DGB und Städtetag fordern gemeinsam: Rettet die Mietpreisbremse – Verlängerung jetzt!

Der Deutsche Mieterbund, der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Deutsche Städtetag haben gemeinsam die amtierende Bundesregierung und die Fraktionen im Deutschen Bundestag aufgefordert, die Mietpreisbremse noch in dieser Legislaturperiode zu verlängern, wie es bislang geplant war. Passiert das nicht, laufen die Mietpreisbremsen in allen Bundesländern spätestens Ende 2025 aus. Vor dem Hintergrund der extrem angespannten Mietwohnungsmärkte in vielen Städten darf dieses Instrument gegen exzessive Mietsteigerungen aber nicht verlorengehen.

Quelle – siehe auch: https://www.dgb.de/politik/wirtschaft-und-transformation/wohnungspolitik/#c4181

Paritätischer legt Studie vor: Wohnen macht arm

Die Paritätische Forschungsstelle hat eine neue Berechnung zur Wohnarmut in Deutschland veröffentlicht. Aus der Pressemitteilung:

„Die Ergebnisse zeigen ein alarmierendes Bild: Deutlich mehr Menschen als bisher angenommen leben in Armut, wenn die Wohnkosten berücksichtigt werden. Die steigenden Mieten belasten vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen überproportional. Viele Haushalte geben inzwischen mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Wohnkosten aus – manche sogar mehr als die Hälfte.

Von Wohnarmut betroffen sind insgesamt 21,2 % der Bevölkerung (17,5 Millionen Menschen). Das sind 5,4 Millionen mehr Armutsbetroffene als nach konventioneller Berechnung. Besonders hohe Wohnarmut gibt es in Bremen (29,3 %), Sachsen-Anhalt (28,6 %) und Hamburg (26,8 %)

Massiv betroffene Gruppen sind:

  • Menschen ab 65 Jahren: 27,1% Armutsquote
  • Junge Erwachsene (18-25 Jahre): 31% Armutsquote
  • Alleinerziehende: 36 % Armutsquote
  • Alleinlebende: 37,6 % Armutsquote (im Rentenalter sogar 41,7 %)
  • Erwerbslose: 61,3 % Armutsquote

LSG Berlin-Brandenburg zur Abgrenzung Bedarfs- / Wohngemeinschaft und zu rückständigen Krankenversicherungsbeiträgen

Die Entscheidung Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 05.09.2024, L 32 AS 739/24 B ER ist lesenswert. Die ersten drei Leitsätze lauten:

  1. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen in einem Wechselverhältnis: Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, desto so geringer sind die Anforderungen an den Anforderungsgrund und umgekehrt.
  2. Nur ausnahmsweise können offene Geldforderungen aus der Vergangenheit zugleich wesentliche Nachteile bis zur Entscheidung in der Hauptsache und einen besonderen Eilbedarf begründen, insbesondere dann, wenn aus den fehlenden Geldmitteln aktuelle schwere, existenzbedrohende Nachteile für die Gegenwart oder den Zeitraum bis zur Entscheidung der Hauptsache drohen.
  3. Zur Aufklärung des Sachverhalts einer eheähnlichen Gemeinschaft oder eines Untermietverhältnisses ist die Nutzung sich aufdrängender Zeugenvernehmungen unverzichtbar.

Aus der Entscheidung:

Rn 26: Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II hat das BSG dahingehend konkretisiert, dass drei Merkmale kumulativ gegeben sein müssen. Bei den fraglichen Personen muss es

  • erstens sich um Partner handeln,
  • die zweitens in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben (objektive Voraussetzung),
  • und zwar so, dass drittens nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (subjektive Voraussetzung).

(…) Das BSG verlangt in ständiger Rechtsprechung, dass ein „Wirtschaften aus einem Topf“ als Voraussetzung für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft und vorab vor der Klärung des subjektiven Umstandes, dass ein Wille, füreinander Verantwortung zu übernehmen und einzustehen, besteht, zu prüfen ist.

LSG Hamburg zum Ersatz für wegen Schädlingsbefall unbrauchbares Sofa

Helge Hildebrandt weist unter sozialberatung-kiel.de auf LSG Hamburg, Urteil vom 5. April 2024, L 4 AS 153/23 D hin und ordnet es ein. Aus der Entscheidung:

„Rechtsgrundlage des Anspruchs ist § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB II. Danach werden Leistungen für Bedarfe für Wohnungserstausstattung gesondert erbracht. Voraussetzung für einen Anspruch ist dabei nicht, dass der Hilfebedürftige eine komplette Ausstattung benötigt; auch einzelne Gegenstände können als „Leistungen für Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten“ beansprucht werden (vgl. BSG, Urteil vom 19.9.2008 – B 14 AS 64/07 R).

Zwar geht es vorliegend nicht um die erstmalige Anschaffung eines Sofas (denn ein solches war ja in der Wohnung der Kläger vorhanden gewesen), dennoch handelt es sich – was zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig ist – um einen Fall der Erstausstattung und nicht um eine Ersatzbeschaffung, deren Kosten aus dem Regelbedarf zu tragen wären.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, kann eine „Wohnungserstausstattung“ auch bei der Notwendigkeit einer erneuten Beschaffung von bereits vorhanden gewesenen Einrichtungsgegenständen in Betracht kommen (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 2014 – B 4 AS 57/13 R, Rn. 15). Zur Abgrenzung vom Ersatzbedarf ist Voraussetzung dafür allerdings, dass der konkrete Bedarf durch 1. außergewöhnliche Umstände bzw. ein besonderes Ereignis entstanden ist, 2. ein „spezieller Bedarf“ vorliegt und 3. ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den außergewöhnlichen Umständen bzw. dem besonderen Ereignis und dem Bedarf gegeben ist (BSG, a.a.O., Rn. 17 m.w.N.).

Internationaler Tag zur Beseitigung der Armut: Wohnen sichern – Wohnkostenlücke in der Existenzsicherung schließen

Am Internationalen Tag zur Beseitigung der Armut fordern die Verbände der Wohnungslosen- und Mieterhilfen, die Nationale Armutskonferenz und die im ‚Bündnis AufRecht bestehen‘ Engagierten ein Umdenken hinsichtlich der politischen Prioritäten. „Statt die Ursachen von Armut zu bekämpfen, werden arme Menschen stigmatisiert. Die drängende Wohnungsfrage bleibt unbeachtet, obwohl bezahlbares Wohnen der Schlüssel zur sozialen Integration ist“, so die Verbände. In einer Zeit, in der soziale Gerechtigkeit mehr denn je gefordert ist, muss die Politik endlich wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Lebenssituation der Betroffenen nachhaltig zu verbessern.

Diakonie-Experte Michael David, Mitglied im Koordinierungskreis der Nationalen Armutskonferenz: „Stigmatisierung, Ächtung und Diffamierung; ‚Armen-Bashing‘ ist in Deutschland Teil der normalen Alltagssprache und der Politik geworden. Wieder werden plan- und wirkungslose Bürgergeld-Verschärfungen im Schnellverfahren umgesetzt. Dagegen sind wirksame Integrationshilfen für Langzeitarbeitslose und die Gewährleistung von Wohnraum nötig.“

Die Debatte um zu hohe Bürgergeldleistungen sei substanzlos. Die diesjährige Erhöhung des Regelsatzes habe die Preissteigerungen der Vorjahre nicht einmal ganz aufgefangen. Zudem könnten immer mehr Leistungsbeziehende ihre Wohnkosten nicht decken.

Thomé zur BGH-Entscheidung zur Rückforderung überzahlter Miete

Letzte Woche hatten wir auf BGH zur Rückforderung überzahlter Miete, wenn der Mieter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht, also Urteil vom 5. Juni 2024 – VIII ZR 150/23 hingewiesen.

Harald Thomé zu dieser BGH-Entscheidung in seinem Newsletter:

„Diese BGH-Entscheidung hat auch für vieles andere Konsequenzen. Z.B. wenn Jobcenter oder Sozialamt versehentlich die Miete auf das falsche Vermieterkonto überwiesen hat. Dann wird in der Realität oft gefordert, Betroffene sollten sich selbst drum kümmern und sich das falsch bezahlte Geld zurückzahlen lassen, leider könne derweilen die Miete für die aktuell bewohnte Wohnung nicht übernommen werden.

Diese Situation hat sich nun erledigt, denn wenn das Jobcenter selbstverschuldet an den falschen Vermieter zahlt, hat es trotzdem die Miete für die neue Wohnung zu zahlen und sich das Geld nunmehr selbst über den nach § 33  SGB II übergegangenen Anspruch zurückerstatten zu lassen.

Eine weitere klassische Fallsituation ist: JC zahlt trotz bekannter Trennung den Lebensunterhalt an den oder die vorherige BG-vorstehende und – empfangsberechtigte Person (nach § 38 SGB II). Auch hier wird in der Realität verlangt, dass Betroffene sich das Geld vom falschen Empfänger zurückholen sollten. Auch hier ist die BGH-Entscheidung klarstellend: Die antragstellende Person hat einen eigenen zu erfüllenden Anspruch. Rückforderungen wegen Überzahlungen gehen nach § 33 Abs. 1 SGB II auf das Amt über.“