AG SBV zu Pandemie, Energiepreisexplosion und Ukraine-Krieg: Menschen wachsen zunehmend Schulden über den Kopf

65 Prozent der Schuldnerberatungsstellen verzeichnen im Vergleich zum Jahresanfang 2022 steigende Nachfrage nach Beratung und Unterstützung

Die stark gestiegenen Verbraucherpreise  machen sich nicht nur im schmaleren Geldbeutel der Menschen in Deutschland bemerkbar. Die hohe Inflation führt auch zu einem deutlichen Anstieg des Bedarfs nach Schuldnerberatung. Im Vergleich zum Jahresbeginn 2022 berichten 65 Prozent der gemeinnützigen Beratungsstellen in einer Umfrage von mehr Anfragen. Die Beratungsstellen müssen verstärkt bei Energie- und Mietschulden, bei der Pfändung von Staatshilfen oder bei der Budgetberatung unterstützen.

Für die Umfrage hat die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) etwa 1.400 Beratungsstellen zur Nachfrage-Entwicklung sowie zum Profil und den Anliegen der Klientinnen und Klienten befragt. In der AG SBV sind die Anbieter der sozialen Schuldnerberatung organisiert. Wie schon in den beiden vorherigen Umfragen stieg die Nachfrage nach Beratung weiter deutlich an. In 16 Prozent der Beratungsstellen war die Nachfrage um mehr als 30 Prozent höher als noch zehn Monate zuvor.

Wartelisten werden länger

„Die wirtschaftliche Not vieler Menschen und damit der Bedarf nach Unterstützung und Beratung wachsen kontinuierlich. Die Pandemie hatte bereits diesen Effekt, nun sind es die steigenden Preise, die die Haushalte in finanzielle Schwierigkeiten treiben“, erklärt Roman Schlag, Referent für Schuldnerberatung für die Caritas in Aachen und Sprecher der AG SBV. „Klar ist aber: Die explodierende Nachfrage bringt unsere Beratungsstellen ans Limit. Die Wartelisten für Termine werden immer länger und warten ist bei Geldproblemen nie eine gute Sache.“

Verfahrenskostenstundung in der Verbraucherinsolvenz

Ein Insolvenzverfahren wird nur dann eröffnet, wenn die Verfahrenskosten gedeckt sind. Sonst wird die Eröffnung mangels Masse abgewiesen. Damit auch mittellose Personen ein Verbraucherinsolvenzverfahren einleiten können, gibt es die Möglichkeit der Verfahrenskostenstundung (§ 4a InsO).

Antrag erforderlich

Die Verfahrenskostenstundung wird nur auf Antrag gewährt. Dieser Antrag ist nicht im vorgeschriebenen Formularsatz für den Insolvenzantrag enthalten, sondern muss extra gestellt werden. Für den Verfahrenskostenstundungsantrag gilt – anders als für den Verbraucherinsolvenzantrag – kein Formularzwang. Die meisten Gerichte stellen aber einen eigenen Stundungsantrag zur Verfügung. Dieser kann verwendet werden, muss aber nicht.

Das Insolvenzgericht entscheidet über die Gewährung der Verfahrenskostenstundung für jeden Verfahrensabschnitt (Insolvenzphase und Wohlverhaltensphase) neu (§ 4a Abs. 2 S.2 InsO).
Ob deshalb auch für jeden Verfahrensabschnitt ein eigener Antrag erforderlich ist, ist nicht eindeutig gesetzlich geregelt. Die Praxis bei den einzelnen Insolvenzgerichten ist sehr unterschiedlich.

Wir empfehlen mit dem Insolvenzantrag gemeinsam einen Antrag auf Verfahrenskostenstundung einzureichen, der beide Verfahrensabschnitte umfasst. Beispielsweise mit der Formulierung:
„Ich beantrage, mir die Kosten des gesamten Insolvenzverfahrens einschließlich des Restschuldbefreiungsverfahrens und einschließlich der Treuhändergebühren zu stunden.“

Die Klienten sollten sicherheitshalber aber immer darauf hingewiesen werden, dass für die Wohlverhaltensphase eventuell nochmal ein Antrag auf Verfahrenskostenstundung gestellt werden muss.

Folgen des fehlenden Antrags in der Wohlverhaltensphase

In der Wohlverhaltensphase entstehen i.d.R. nur die Treuhändergebühren als zusätzliche Kosten. Wurde für die Wohlverhaltensphase kein Antrag auf Verfahrenskostenstundung gestellt, wird deshalb der Schuldner oder die Schuldnerin nach Fälligkeit der Treuhändergebühr vom Treuhänder mit einer Frist von mindestens 2 Wochen aufgefordert, diese zu bezahlen. Da nach Ablauf der Frist des Treuhänders die Versagung der Restschuldbefreiung droht, erfolgt danach eine Anhörung durch das Gericht. Nach der Aufforderung durch das Gericht hat der Schuldner oder die Schuldnerin nochmals 2 Wochen Zeit, die Treuhändergebühren zu zahlen oder sich um die Stundung zu bemühen. Ist diese letzte Frist um und ist dann weder bezahlt noch gestundet, versagt das Gericht die Restschuldbefreiung. Bei dieser Entscheidung hat das Gericht keinen Ermessensspielraum.

Anders als die meisten sonstigen Versagungsgründe löst diese Versagung keine Sperrfrist aus. Es kann direkt wieder ein Insolvenzverfahren beantragt werden.

Was muss der Antrag beinhalten?

Damit der Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten Erfolg hat, muss er verschiedene Erklärungen beinhalten:

  • Die Erklärung, dass kein Versagungsgrund gem. § 290 Abs. 1 Nr. 1 vorliegt. Dieser Versagungsgrund ist gegeben, wenn der Schuldner oder die Schuldnerin gem. §§ 283 bis § 283c zu mindestens 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Das sind die Straftaten des Bankrotts, des schweren Bankrotts, der Verletzung der Buchführungspflicht und die Gläubigerbegünstigung. Solche Verurteilungen kommen am ehesten bei ehemals Selbständigen vor, sind aber sehr selten.
  • Die Erklärung, dass dem Schuldner oder der Schuldnerin in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Verfahrenskostenstundung keine Restschuldbefreiung erteilt oder versagt wurde. Hier geht es darum zu prüfen, ob evtl. noch eine Sperrfrist aus einem vorherigen Insolvenzverfahren besteht.
  • Die Erklärung, dass ein Antrag auf Restschuldbefreiung bereits gestellt ist oder beiliegt.
  • Die Erklärung, dass dem Schuldner oder der Schuldnerin keine ausreichenden Mittel zur Begleichung der Verfahrenskosten zur Verfügung stehen, auch nicht von einer anderen Person zur Verfügung gestellt werden kann.

Die Verfahrenskostenstundung kann nur von natürlichen Personen beantragt werden.

Verfahrenskostenstundung bei Eheleuten

Nach § 1360 a Nr. 4 BGB sind sich Eheleute als Teil der Unterhaltspflicht gegenseitig dazu verpflichtet, die Kosten für einen persönlichen Rechtsstreit vorzuschießen. Dazu gehören auch die Kosten eines Insolvenzverfahrens, soweit dies der Billigkeit entspricht. Deshalb muss bei Eheleuten eine zusätzliche Erklärung abgegeben werden.

Unbillig ist eine Heranziehung, wenn die Schulden außerhalb der Ehe entstanden sind und nicht zum Aufbau oder der Erhaltung der gemeinsamen wirtschaftlichen Existenz dienten.
Sind beispielsweise die Schulden weit vor dem Kennenlernen des künftigen Ehepartners oder der Ehepartnerin entstanden, so können die Partner oder Partnerinnen nicht für die Verfahrenskosten herangezogen werden.
Unbillig könnte es im Einzelfall auch sein, wenn die Schulden durch eine Spielsucht entstanden sind. Leben die Eheleute bereits getrennt, ist i.d.R. auch von einer Unbilligkeit auszugehen.

Der Vorschuss der Verfahrenskosten scheidet außerdem aus, wenn der Ehepartner oder die Ehepartnerin selbst kein ausreichendes Einkommen oder Vermögen dafür hat. Deshalb muss in der Erklärung auch das Einkommen und Vermögen des Ehepartners bzw. der Ehepartnerin angegeben werden.

Viele Ehepartner oder Ehepartnerinnen erschrecken bei diesen Angaben und haben Angst, in Haftung genommen zu werden. Das ist jedoch völlig unbegründet. Es geht immer nur um die Verfahrenskosten und es entsteht keine direkte Haftung des Ehepartners oder der Ehepartnerin gegenüber dem Gericht. Es besteht nur die Verpflichtung zwischen den Eheleuten intern, den notwendigen Vorschuss zu gewähren. Gewährt der Ehepartner oder die Ehepartnerin diesen Vorschuss nicht, obwohl er oder sie dafür die notwendigen Mittel hätte, ist dies eine Verletzung der Unterhaltspflicht und muss vom Ehepartner oder der Ehepartnerin als solche ggf. eingeklagt werden.

Veränderungen während des Verfahrens

Das Gericht kann die Entscheidung über die Gewährung der Verfahrenskostenstundung jederzeit ändern, wenn sich die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse geändert haben. Deshalb sind solche Änderungen dem Gericht mitzuteilen, und zwar unverzüglich!

  • Aufgehoben werden kann die Stundung auch bei
  • Vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtigen Angaben
  • Wenn der Schuldner oder die Schuldnerin mit der Zahlung einer Monatsrate oder eines sonstigen Betrages im Verzug ist
  • Einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit
  • Versagung oder Widerruf der Restschuldbefreiung

Eine Aufhebung der Verfahrenskostenstundung führt in der Insolvenzphase zur Einstellung des Verfahrens mangels Masse. In der Wohlverhaltensphase führt es dazu, dass die Treuhändergebühren sofort zu zahlen sind und bei Nichtzahlung die Restschuldbefreiung versagt werden kann.

Weitere Stundung der Verfahrenskosten nach Erteilung der Restschuldbefreiung

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Eine Stundung bedeutet nicht, dass die Verfahrenskosten nicht bezahlt werden müssen. Das Verfahren ist also nicht „kostenlos“, wie manchmal behauptet wird. Die Stundung bedeutet nur, dass die Fälligkeit auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird. Und dieser Zeitpunkt ist bei einem positiv verlaufenden Verfahren die Erteilung der Restschuldbefreiung.

Sind dem Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder in der Insolvenz- bzw. Wohlverhaltensphase Gelder zugeflossen, so werden davon zuerst die Verfahrenskosten gedeckt. Diese Zuflüsse können beispielsweise durch pfändbares Einkommen, durch Steuerrückerstattungen oder durch verwertetes Vermögen entstanden sein. Im besten Fall ist dann von den Verfahrenskosten zum Zeitpunkt der Restschuldbefreiung nichts mehr oder nur ein kleiner Teil übrig.
Nicht selten gibt es aber auch masselose Verfahren, in denen vom Insolvenzverwalter bzw. vom Treuhänder nichts erwirtschaftet wurde. In diesen Verfahren sind zum Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung noch alle Kosten offen.

Kann der Schuldner oder die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung diese Kosten nicht bezahlen, sollte die „weitere Stundung der Verfahrenskosten nach Erteilung der Restschuldbefreiung“ beim Insolvenzgericht beantragt werden.

Vorsicht! Wird diese weitere Stundung nicht schon vor Erteilung der Restschuldbefreiung beim Insolvenzgericht beantragt, gibt das Gericht die Verfahrenskosten i.d.R. an die zuständige Landesoberkasse ab. Die Rechnung über die Verfahrenskosten kommt dann von der Landesoberkasse. Immer wieder wird deshalb von den Klienten bei der Landesoberkasse eine weitere Stundung beantragt und die Landesoberkasse bewilligt die Stundung nach Verwaltungsrecht. Das führt aber meist spätestens nach einem Jahr zu Problemen.

Nur bei einer Stundung durch das Insolvenzgericht gem. § 4 b InsO gelten die dort festgelegten besonderen Regeln für die Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge. Je nach Einkommen und Vermögen des Schuldners oder der Schuldnerin wird eine Stundung mit oder ohne monatliche Rate festgesetzt.

Verändern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse, ist der Schuldner oder die Schuldnerin auch hier verpflichtet, diese Änderungen dem Insolvenzgericht mitzuteilen.

Eine Änderung der Stundungsbedingungen ist nach dem Ablauf von 4 Jahr nicht mehr zum Nachteil des Schuldners oder der Schuldnerin möglich. Das bedeutet, war der Schuldner oder die Schuldnerin auch nach der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht verpflichtet, eine Rate zu zahlen, dann werden die Verfahrenskosten nicht mehr geltend gemacht.

Am besten ist es, kurz vor Erteilung der Restschuldbefreiung den Antrag auf weitere Stundung der Verfahrenskosten beim Insolvenzgericht einzureichen. Dieser Antrag kann formlos gestellt werden. Es sind aber Nachweise zum Einkommen und evtl. vorhandenem Vermögen beizulegen.
Leider weisen nur sehr wenige Gerichte deutlich auf diese Möglichkeit hin. Nur ganz vereinzelte Gerichte versenden mit der Restschuldbefreiung ein Musterschreiben für diese weitere Stundung der Verfahrenskosten.

Für die Schuldnerberatungsstellen wäre es wünschenswert, wenn alle Insolvenzgerichte ein einheitliches Formular für die Verfahrenskostenstundung verwenden und einheitlich vorgehen würden. Auch sollten entsprechende Hinweise verständlicher und übersichtlicher gestaltet werden. Die Versagung wegen der Nichtzahlung der Treuhändergebühren kommt leider immer wieder vor. Sie macht allen Beteiligten unnötig mehr Arbeit in einem ohnehin überlasteten System.

Nachfolgend finden Sie zwei Beispiele für Stundungsanträge – einmal ein „reiner“ Stundungsantrag, der wohl in NRW, Hamburg und im Saarland gebräuchlich ist und einmal ein Stundungsantrag eines Beratungsstellenverbunds aus Baden-Württemberg, der weitere je nach Insolvenzverfahren einschlägige Erklärungen und auch die Erklärung des ggf. betroffenen Ehe- oder Lebenspartners zur Prüfung der Billigkeit der Verfahrenskostenübernahme enthält.

Armut deutlich größer als angenommen: Paritätischer legt überarbeitete Neuauflage seines Armutsberichts 2022 vor

Nicht 16,6 Prozent, sondern 16,9 Prozent betrug die Armutsquote in Deutschland im Jahr 2021. Der Paritätische korrigiert damit seinen im letzten Juni veröffentlichten Armutsbericht. Von Armut betroffen waren damit nicht 13,8 Millionen Menschen, sondern 14,1 Millionen Menschen.

Unter Rückgriff auf Daten des Statistischen Bundesamtes legte der Paritätische Wohlfahrtsverband gestern eine aktualisierte Neuauflage seines Armutsberichts 2022 (Berichtsjahr 2021) vor. Notwendig geworden war die Überarbeitung, da das Bundesamt nach bereits im letzten Jahr veröffentlichten Erstergebnissen zu den Armutsquoten jetzt Endergebnisse für das Berichtsjahr 2021 mit zum Teil gravierenden Abweichungen vorlegte. So betrug die Kinderarmut nicht, wie zuerst berechnet, 20,8 Prozent, sondern sogar 21,3 Prozent. Die Armutsquote von Alleinerziehenden stieg auf 42,3 statt auf 41,6 Prozent.

BGH ändert seine Rechtsprechung zum Pfändungsfreibetrag nach § 850d ZPO: nur tatsächlich geleisteter Unterhalt zählt

Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung zum § 850d ZPO geändert. Leitsatz des Beschlusses vom 18.01.2023 – VII ZB 35/20:

§ 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO ist dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags die laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden oder gleichstehenden Unterhaltsberechtigten nur in dem Umfang zu berücksichtigen sind, in dem der Schuldner seine gesetzlichen Unterhaltspflichten den weiteren Unterhaltsberechtigten gegenüber erfüllt oder in dem er von den weiteren Unterhaltsberechtigten im Wege der Zwangsvollstreckung in Anspruch genommen wird (Aufgabe von BGH, Beschluss vom 5. August 2010 – VII ZB 101/09, MDR 2010, 1214).

Diese Entscheidung dürfte Pflichtlektüre sein. Eine erste Annäherung bietet vielleicht

An dieser Stelle das Augenmerk auf die Frage des bislang nicht oder weniger zahlenden Schuldners, wie er das denn zukünftig tun könne, wenn schon eine Pfändung vorliegt. Lösung des BGH (Rn. 20 der Entscheidung:

Bargeld als Zahlungsmittel erhalten

<p>Bargeld bleibt auch in Zeiten von Girocard, Klarna und PayPal systemrelevant: Nur dank Bargeld können Menschen einkaufen und die betroffenen Einzelhändler das Geschäft aufrechterhalten, wenn die digitale Technik versagt. Bargeld hat aber noch weitere Qualitäten und die Mehrheit der Verbraucher:innen wünscht sich, dass es als Zahlungsmittel erhalten bleibt. </p>

UVG-Handlungsleitfaden für die Bearbeiter*innen in den Unterhaltsvorschuss-Stellen zum Verbraucherinsolvenzverfahren

Hier der Hinweis auf die Anfrage unter fragdenstaat.de/anfrage/handlungsleitfadens-zum-verbraucherinsolvenzverfahren/. Verlangt wurde die Herausgabe folgender amtlicher Informationen: “Aktuelle Fassung des Handlungsleitfadens zum Verbraucherinsolvenzverfahren auf den unter dem Punkt 7.10.6. Insolvenz des barunterhaltspflichtigen Elternteils der Richtlinien zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG-RL) in der ab 1. Januar 2023 geltenden Fassung verwiesen wird.”

Dem Antrag wurde stattgegeben. Das Ministerium schreibt dazu: “Er [der Leitfaden] wurde zuletzt 2021 aktualisiert. Es handelt sich dabei um einen Handlungsleitfaden für die Bearbeitung von Fällen im Insolvenzverfahren im Bund-Länder-Kreis. Die Handlungsempfehlungen wurden mit Unterstützung des Bundesamtes für Justiz erstellt. Es sind ausschließlich Handlungsempfehlungen für die Bearbeiter*innen in den Unterhaltsvorschuss-Stellen.”

Direkt zum Leitfaden.

Dank an die fragestellende Person und auch an Harald Thomé, der in seinem aktuellen Newsletter darauf hingewiesen und zuvor auch die in der Anfrage genannten Richtlinien zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes veröffentlicht hat.

Bürgergeld so lange, bis vorrangige Leistungen tatsächlich bewilligt sind

Helge Hildebrandt weist auf der lesenswerten Seite https://sozialberatung-kiel.de auf Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 12.12.2022, S 41 AS 92/22 – rechtskräftig hin. Aus der Entscheidung:

§ 12a Satz 1 SGB II ermächtigt den Grundsicherungs- bzw. Entscheidungsträger nicht dazu, Leistungen nach dem SGB II unter Verweis auf eine zu beantragende vorrangigen Sozialleistung abzulehnen (vgl. S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 12 a Rz. 1 und 9; Striebinger in Gagel, SGB II und SGB III, § 12 a Rz. 4, Stand 55. EL 2014; Geiger in LPK-SGB II, 5. Auflage 2013, § 12 a Rz. 1; LSG Nordrhein-Westfalen 11. 4. 2012 – L 19 AS 544/12 B ER Rz. 16).

Bis zum Zufluss der vorrangigen Sozialleistungen muss der Grundsicherungsträger bzw. Wahrnehmungszuständige bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen in Vorleistung treten und Leistungen nach dem SGB II – unter Anmeldung eines Erstattungsanspruchs gem. §§ 102 ff. SGB X gewähren.

Siehe auch im aktuellen Thomé-Newsletter unter 1. (Ablehnung mit Verweis auf vorrangige Leistungen am Beispiel des Landkreises Kassel):

Das BSG sagt dazu: „Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist nur eine tatsächlich zugeflossene Einnahme als “bereites Mittel” geeignet, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken“ (BSG 12.11.2012 – B 14 AS 161/11 R). Die BA sagt in Ihrer Weisung zu § 67: „Sofern ein vorrangiger Anspruch auf KiZ festgestellt wird, ist im Sinne einer zeitnahen Sicherstellung des Lebensunterhalts aber regelmäßig in Vorleistung zu gehen, d. h. die Leistungen nach dem SGB II sind zu bewilligen und es ist ein Erstattungsanspruch anzumelden. Dies gilt auch im Hinblick auf andere vorrangige Leistungen“, (Weisung zu § 67, Stand: 24.06.2022, S. 37).
Zusammengefasst: wegen fehlendem Zufluss der anderen Sozialleistung dürfen keine SGB II-Leistungen versagt werden. Das bedeutet, das Kasseler Verwaltungshandeln ist alleine deswegen gravierend rechtswidrig.